...in Madhya Pradesh und Chhattisgarh, den beiden zentralindischen Bundesstaaten. Einige der ganz großen kulturellen Highlights habe ich mir für diese Reise mit Agra, Gwalior, Orcha und Khajuraho ausgesucht. Und ich hoffe, dass endlich mein Traum in Erfüllung geht und ich nach vielen vergeblichen Versuchen einen indischen Tiger in freier Wildbahn beobachten kann.
Nachdem ich schon in einigen Nationalparks in Indien und Nepal erfolglos auf Tigerpirsch war, haben wir (...das sind meine Freundin Verena und ich...) uns für unsere Reise den Bandhavgarh und den Kanha Nationalpark ausgesucht. Bisher hatten fast alle Reisende, mit denen ich gesprochen habe, hier Tiger gesehen und das meistens sogar mehrmals. Jetzt sind wir voller Hoffnung, das wir vielleicht auch dieses Glück haben werden.
Die letzten Tage unserer Reise verbringen wir dann in Chhattisgarh, dem Stammesgebiet des Baiga- und Gond-Volkes rund um Bhoramdeo. Sie halten bis heute an ihrer traditionellen und naturverbundenen Lebensweise fest. Überlieferte Sitten und Gebräuche haben immer noch große Bedeutung wie z.B. bei den Baigas aufwändige und großflächige Tätowierungen beim Erreichen weiterer Lebensabschnitte.
Auf meiner letzten Indien-Reise zu den Stammesvölkern in Odisha und Chhattisgarh 2018 hat uns unser Guide, der Anthropologe war, genau diese Region rund um Bhoramdeo sehr empfohlen. Aber dafür hatten wir leider nicht mehr genügend Zeit. Deshalb nutzen wir jetzt die Gelegenheit, denn vom Kanha Nationalpark aus sind es nur noch knapp 100 km bis nach Bhoramdeo.
Kurz nach Mitternacht landen wir in Delhi. Die Einreiseformalitäten mit unseren E-Visa gehen selbst jetzt mitten in der Nacht recht flott. Von den indischen Freunden werden wir vom Flughafen abgeholt. Nach einem kurzen Plausch und drei Stunden Schlaf lernen wir Sandeep kennen, unseren Fahrer, der uns mit seinem Fahrzeug in den nächsten zweieinhalb Wochen fast 1.500 km durch seine schöne Heimat fahren wird.
Ca. 250 km sind es bis Agra. Die ersten 30 km im Stadtgebiet von Delhi kosten uns im dichten Verkehr fast eine ganze Stunde. Später geht es dann auf den Yamuna Express Highway und wir kommen schnell voran. Gegen zwölf Uhr haben wir es schließlich geschafft. In Agra versorgen wir uns erst mal in einer Wechselstube mit indischen Rupien und auch eine indische Prepaid-Telefonkarte muss her.
Als Unterkunft für Agra haben wir uns das Coral House Homestay ausgesucht, dass kaum 800 m vom Taj Mahal entfernt liegt. Es liegt in einer ruhigen Wohngegend. In dem schönen kleinen Garten kann man gemütlich sitzen und ist ein wirkliches „Home away from Home“. Alles ist unglaublich geschmackvoll dekoriert und gemütlich eingerichtet. Es gibt nur sieben Zimmer und die Familie kümmert sich gemeinsam mit sehr viel Hingabe und Begeisterung um ihre Gäste. Wir sind ganz begeistert.
Gleich nebenan liegt das Coral Tree Homestay, das mindestens genauso schön ist und dem Bruder unseres Gastwirtes gehört. Der hat sich seinerzeit in die Schwester der Frau seines Bruders „verguckt“ und nun betreiben die beiden Familien ihre beiden Homestays gemeinsam.
Nachdem wir uns mit unserer Gastfamilie ein wenig bekannt gemacht und in unserem Zimmer eingerichtet haben widmen wir den Rest des Tages ganz dem Taj Mahal. Zweimal war ich schon hier – 1994 und 2010. Da es Verenas erster Besuch in Indien ist, können wir es unmöglich „links“ liegen lassen, wenn wir schon in der Nähe sind. Durch das imposante Eingangsportal aus rotem Sandstein betreten wir das Gelände.
In den Jahren hat sich in der Umgebung viel verändert. Das „Bauwerk der Liebe“ selbst, wie das Taj Mahal auch genannt wird, erstrahlt jedoch heute wie gestern im gleichen magischen Glanz, Davon lasse ich mich gerne auch ein drittes Mal beeindrucken. Es zieht die Besucher ganz in seinen Bann und die Ehrfurcht ist bei den meisten Besuchern spürbar. Im Angesicht dieser Pracht ist es unvorstellbar, dass es fundamentalistische Hindus gibt, die dieses phantastische und auf der Welt absolut einmalige Gebäude, das noch dazu ein Grabmal ist, am liebsten abreißen würden, da es von einem moslemischen Herrscher erbaut wurde.
Den ganzen Nachmittag schlendern wir gemütlich durch die Gartenanlage, bewundern das Taj Mahal von allen Seiten, machen einige Selfies und bleiben bis zum Sonnenuntergang, um die Magie des Ortes zu genießen.
Noch ein wenig benommen von den Eindrücken sind wir gegen sechs Uhr zurück im Homestay. Es erwartet uns köstliche indische Hausmannskost zum Abendessen. Danach ziehen wir uns ziemlich schnell auf unser Zimmer zurück, denn so langsam machen sich zwei Tage mit nur drei Stunden Schlaf bemerkbar. Ein kleiner Heizlüfter hat unser Zimmer ein wenig temperiert, denn jetzt Ende Januar ist es noch recht kühl sobald die Sonne untergegangen ist.
Schon früh sind wir unterwegs. Das Agra Fort, besser bekannt als „Rotes Fort“, liegt nur zwei Kilometer vom Taj Mahal entfernt. Wir gehören mit zu den ersten Besuchern. Die Sonne steht noch tief und taucht den roten Sandstein in ein ganz bezauberndes Licht. Über zwei Stunden schlendern wir ganz gemütlich durch die beeindruckenden Palasträume und die liebevoll gepflegten Gärten in den Innenhöfen.
Schon 1080 n.Chr. wurde das Fort zum ersten Mal erwähnt. Im Laufe der Geschichte sah es viele Herrscher kommen und gehen. Sein heutiges prächtiges Antlitz erlangte es jedoch erst durch den Mogul-Herrscher Akbar in den Jahren 1565 bis 1605. Es wurde erweitert, ausgebaut und in eine nahezu uneinnehmbare Festung verwandelt. Gleichzeitig wurde das Innere mit fast 400.000 qm neben den militärischen Verteidigungsanlagen mit eleganten Palästen, prächtigen Innenhöfen und Empfangshallen ausgestattet.
Von der Ostseite des Palastes im Agra Fort fällt der Blick auf das Taj Mahal. Mystisch erstrahllt es im morgentlichen Dunst und Schein der aufgehenden Sonne auf der anderen Seite des Yamuna-Flusses. Hier hat Schah Jahan, der Erbauer des Taj Mahal, von seinem eigenen Sohn unter Hausarrest gestellt, die letzten Jahre seines Lebens im verbracht mit Blick auf das Grabmal seiner geliebten Frau Mumtaz Mahal.
Ganz in der Nähe des Agra Fort liegt die gewaltige Jami Masjid Moschee mitten in der quirrligen Altstadt. Obwohl ich schon zweimal in Agra war, komme ich jetzt das erste Mal hierher. Wir lassen uns durch die engen und verwinkelten Gassen treiben. Hier herrscht schon jetzt am frühen Morgen rege Geschäftigkeit. Es scheinen nur wenige Touristen hierher zu kommen, denn wir werden von den meisten Einheimischen mit einigem Erstaunen angeschaut.
Ganz oft werden wir nach einem Selfie gefragt. An einem Straßenstand drückt man uns ein Schälchen mit einer köstlichen indischen Süßspeise in die Hand und an dem Blumenstand um die Ecken reicht man uns eine wunderbar duftende rote Rose…
Inzwischen ist es Mittag geworden und der Verkehr tobt auf Agras Straßen. Für die kaum 15 km zum beeindruckenden Sikh Tempel Gurudwara Guru Ka Tal etwas außerhalb der Stadt, brauchen wir über eine halbe Stunde. Aber die Fahrt hat sich gelohnt! Es handelt sich um einen wahrhaft prächtigen Tempel, der wie das Taj Mahal ganz aus weißem Marmor errichtet wurde und prächtig vor dem tiefblauen Himmel erstrahlt.
Der bedeutende Sikh Tempel stammt aus dem 17. Jahrhundert und wurde dem neunten Guru Sri Tegh Bahudar Ji gewidmet. Von den ehemals zwölf Türmen haben nur acht die Wirren der Geschichte überlebt. Am Eingang müssen Schuhe und Strümpfe ausgezogen und der Kopf mit einem Tuch bedeckt werden. Hier sind wir die einzigen Touristen und so können wir ganz ungestört durch die Gebetshalle und den Speisesaal schlendern, wo jeder – wirklich jeder - unentgeltlich eine Mahlzeit erhält. Unglaublich ist die dazugehörige Großküche, wo in riesigen Töpfen gekocht wird.
Zurück in Agra schauen wir uns auf der Nordseite des Yamuna Flusses das „Baby-Taj Mahal“, Itmad ud Daulah an. Es ist sehr viel kleiner wie der Name vermuten läßt, um einiges älter und diente seinerzeit als Vorlage für den Bau des Taj Mahal. Es ist auch komplett aus Marmor und über und über mit Einlege- und Intarsienarbeiten geschmückt. Das Innere ist mit phantastischen Fresken verziert, die teilweise noch sehr gut erhalten sind.
Ganz in der Nähe des Baby-Taj liegt das kleine Dorf Kachhpuri. Es ist das letzte eigenständige und selbstverwaltete Dorf, das inzwischen innerhalb des immer größer werdenden Stadtgebietes von Agra liegt. Die Lebensverhältnisse sind hier noch sehr, sehr einfach und sehr dörflich. Die engen Wege, die durch das Dorf führen sind fast alle nicht befestigt und verwandeln sich bei Regen in eine Schlammpiste. Es gibt bisher keine Kanalisation. Die Abwässer aus den Häusern fließen in den Gräben links und rechts der Wege. Es scheinen kaum Besucher hierher zu kommen, denn wir werden schon fast ungläubig und mit großer Neugier angeschaut.
Wir besuchen den Dorfvorsteher, der den sog, „Heritage-Walk“ für Kachhpura in’s Leben gerufen hat. Damit möchte er Besucher in den kleinen Ort holen, um mit den Einnahmen daraus die Lebensumstände im Dorf zu verbessern. Sein wichtigstes Ziel ist es, dass unterirdische Abwasserkanäle und Toiletten in den Häusern gebaut werden. Ein sehr lohnenswertes und unterstützenswertes Projekt.
Den Tag lassen wir ganz gemütlich ausklingen mit dem Blick vom „Sunset Point“ auf der nördlichen Seite des Yamuna River zum Taj Mahal. Die Sonne verschwindet heute jedoch ziemlich unspektakulär im Dunst.
…ist es nur eine kurze Fahrt von knapp 140 km. Kaum das wir Agra verlassen haben macht uns Sandeep auf eine Kuriosität aufmerksam, die es nur in diesem Ort gibt - Musikwagen. Man erkennt sie an den überdimensional großen Lautsprechern. Zu jedem der Musikwagen gehört eine eigene Musikkapelle, die man anlässlich von Festlichkeiten und Familenfeiern buchen kann. Die Wagen sind auffallend bunt gestaltet und stehen überall zu Werbezwecken am Straßenrand.
Überhaupt ist Sandeep ein unglaublich aufmerksamer Fahrer. Mit großer Sicherheit und viel Ruhe und Gelassenheit steuert er uns durch den häufig recht chaotsichen indischen Verkehr. Die großen Highways gibt es derzeit noch hauptsächlich rund um Delhi und auf einigen Hauptstrecken. Auf den kleineren Straßen, auf denen wir von nun an fahren, ist einfach alles unterwegs, was sich bewegen und was man als Transportmittel nutzen kann... - that's "Indian Streetlife"!
Um auf diesen Straßen zu fahren, muss mann in Indien geboren sein. Deshalb käme ich auch nie auf die Idee hier in Indien selbst fahren zu wollen. Bei all dem Chaos scheint Sandeep nichts zu entgehen. Er macht uns auf viele interessante Ausblicke, Besonderheiten und Fotomotive aufmerksam, die wir glatt übersehen hätten. Sobald wir die Kamera auch nur berühren, verlangsamt er schon die Fahrt...er ist wirklich ein Schatz.
Die abwechslungsreiche Fahrt führt zunächst entlang endloser gelb blühender Senffelder. Später folgt eine zerklüftete Hügellandschaft, die mit einigen Festungsruinen den kleinen Fluss überragt, der einige Zeit parallel der Straße fließt. Kurz vor Gwalior geraten wir in einen heftigen Stau. Die Straße soll hier verbreitert werden und die ganze Umgebung versinkt im Staub. Für die letzten 19 km benötigen wir über eine Stunde. Gottseidank ist unser Wagen ziemlich staudicht.
So kommen wir erst nach zwölf in unserem Hotel, dem Clarks Inn Suites in Gwalior an. Das Hotel liegt super zentral an der südlichen Seite des Gwalior Forts. In der Nähe gibt es Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten. Das war uns wichtiger bei der Auswahl als alle Sterne.
Da wir morgen schon weiterfahren und deshalb hier nur wenig Zeit haben, haben wir uns einen örtlichen Guide für die Besichtigungen gebucht. Barua wartet schon im Hotel auf uns. Wir bringen nur kurz unser Gepäck auf’s Zimmer und brechen dann gleich auf zum Gwalior Fort. Das thront etwa 100 m hoch über der Stadt auf einem lang gezogenen Hügel. In früheren Zeiten war das Fort fast uneinnehmbar für feindliche Angreifer. Was für ein Blick von hier oben über die Stadt.
Zuerst schauen wir uns den beeindruckenden Mansingh Palast an. Ganz außergewöhnlich für die damalige Zeit sind die blauen Fliesenbildnisse, mit denen die Palastfassade mit viel Liebe verziert wurde. Hier wurden den seinerzeit wichtigsten Tieren ein ewiger Ehrenplatz gewidmet, Tiger, Elefant, Enten und Fischen.
Durch Baruas interessante Schilderungen über die früheren Lebensumstände im Fort verquickt mit den geschichtlichen Ereignisse erhalten wir einen lebendigen Eindruck von den Geschehnissen in den imposanten Palasträumen. Gleichzeitig erschließt er uns damit auch viele der historischen Zusammenhänge in Indien. Schade, dass wir hier nicht mehr Zeit eingeplant haben.
Auf dem weitläufigen Gelände des Forts besuchen wir noch – schon fast im Eilverfahren - die sehr sehenswerten Tempel des großen und kleinen Sas Bahu- und den Teli-Ka Mandir-Tempel. Auf dem Weg hinab vom Fort machen wir kurz Halt im Arwahi-Tal. Hier bewundern wir eine Vielzahl von Jain-Skulpturen und Inschriften aus dem 15. Jahrjundert in gewaltigen Steinnischen.
In der Stadt selbst bleibt gerade noch Zeit das schöne Grabml von Mohammed Gauz zu besuchen, das bekannt ist für seine riesigen Steingitter-Fenster. Die tiefstehende Sonne taucht das Mausoleum in ein intensives Licht. Wir spazieren noch kurz durch die umliegende Gartenanlage. Dann bricht auch schon die Dunkelheit herein.
Nach einem kurzen Abendessen im „Food Court“ im Einkaufszentrum direkt neben unserem Hotel geht es schon wieder zurück zum Gwalior Fort. Um halb acht beginnt hier die „Sound & Light Show“, Viele der Geschichten, die sich um das Fort ranken, haben wir schon von Baruha gehört. Herrlich ist der nächtliche Ausblick über die Stadt und die stimmungsvolle Beleuchtung des Forts während der Show.
Den größten Teil der Strecke nach Orchha legen wir mit dem Zug zurück. Der Shatabdi Express ist einer der besten und zuverlässigsten Züge in Indien und kommt allmorgentlich von Delhi über Agra nach Gwalior und fährt von hier weiter bis zur Endstation nach Bhopal. Schon lange vor der Abfahrtszeit sind wir am hier, denn das bunte Treiben auf indischen Bahnhöfen beobachte ich immer wieder gerne.
Wenn Du gerne mehr Impressionen von Zugfahren in Indienn und von indischen Bahnhöfen haben möchtest, dann schau doch in der meiner Fotogallerie "Indien mit dem Zug".
Der Zug ist super pünktlich. Auf unserem Ticket stehen Wagen- und Sitzplatznummern. Auf kleinen Leuchttafeln am Gleis wird angezeigt, wo welche Wagennummer hält. So ist es wirklich leicht den richtigen Wagen und seine Plätze zu finden. Durch die individuelle Anzeige am Gleis ist es in Indien noch komfortabler als in Deutschland, wo man erst zum Wagenstandsanzeiger laufen muss.
Wir warten auf den Shatabdi-Express. Wie der ICE in Deutschland ist der Shatabdi-Express ein Schnellzug, der meistens die größeren Metropolen miteinander verbindet und nur in wenigen größeren Städten hält. Im sog. "AC Chair Car" ist man sehr komfortabel unterwegs. Die Waggons sind sehr sauber und ordentlich. Außerdem werden hier alle Fahrgäste ab der zweiten Klasse aufwärts erst einmal mit einem halben Liter Mineralwasser und einem Saftgetränk versorgt. Auf manchen längeren Strecken ist sogar eine Mahlzeit inclusive.
Es ist nur eine kurze Fahrt von etwas mehr als einer Stunde und eine einzige Station von Gwalior nach Jhansi. Wir kommen in’s Gespräch mit unserem Sitznachbarn, einem jungen Mann aus Jhansi, der recht gut Englisch spricht. Er arbeitet in Delhi für eine US-Firma in der IT-Branche und ist gerade auf dem Weg nach Hause, um seine Familie anlässlich der Hochzeit seiner Schwester zu besuchen. Da schwelge ich gleich wieder in Erinnerungen an die schöne indische Hochzeit, zu der ich vor einigen Jahren eingeladen war...
Die Zeit vergeht wie im Flug und schon sind wir in Jhansi. Sandeep ist am frühen Morgen mit unserem Gepäck vorausgefahren. Er nimmt uns schon am Bahnsteig in Empfang. Die meisten der 30 km bis nach Orchha sind momentan Baustelle. Wir kommen nur langsam und wieder nur in einer riesigen Staubwolke voran. Gegen Mittag erreichen wir unser Hotel, das Orchha Resort. Es liegt direkt am schönen Betwa Fluss und direkt neben den imposanten Grabanlagen, den Chhatris.
Orchha ist ein kleine Stadt aus dem 16. Jahrhundert. Gegründet wurde sie von kühnen Kriegern der Bundela-Dynasty. Hier geht es auch heute noch recht beschaulich zu. Viele westliche Touristen kommen bisher nicht hierher. Aber bei in den Indern ist Orchha inzwischen recht beliebt. Viele feiern hier ihre Hochzeit. Auch hier haben wir uns den Luxus eines örtlichen Guides gegönnt. Jitendra ist in Orcha aufgewachsen und so kennt er jeden Stein und wie es schein auch jede "Nase".
Wir widmen unseren Nachmittag dem Orcha Fort, das kaum 800 m vom Resort entfernt ist. Über eine Brücke aus dem 17. Jahrhundert ist die Festung mit dem Ort verbunden. Sie ist eine Meisterleistung der Brückenbaukunst und ein Zeugnis der archtektonischen Fertigkeiten der Bundelas. Innerhalb der weitläufigen Festungsmauern gibt es zwei beeindruckende Palastanlagen und mehrere Tempel.
Jitendras Erzählungen über die seinerzeitigen Herrscher der Bundela-Dynasty, das Leben innerhalb der beiden Paläste und die historischen Zusammenhänge sind so bunt und eindrücklich! Es scheint als würde vor unserem geistigen Auge das einstige Leben in den alten Gemäuern und Gemächern des Orcha Forts wieder zu erwachen. Direkt neben dem Festungseingang liegt der Raj Mahal Palast, der bekannt ist für seine gut erhaltenen Wand- und Deckenmalereien.Besonders schön ist das riesige Schlafzimmer der Maharani.
Noch beeindruckender finde ich den sehr viel größeren Jahangir Mahal Palast direkt gegenüber vom Festungseingang. Mit viel Ruhe und Muße lassen wir uns durch die geschichtsträchtigen Räumlichkeiten treiben. Die Blicke von den verschiedenen Balkonen und Erkern, die sich über mehrere Etagen rund um den Innenhof anordnen, sind traumhaft. Unzählige Türme und Türmchen tragen wunderschöne Kuppeln und geben dem Palast eine märchenhafte Athmosphäre.
Viele der Balkone und Erker bieten gleichzeitig auch einen herrlichen Ausblick auf die Umgebung rund um das gewaltige Fort.
Schließlich verlassen wir das Fort und suchen uns ein kleines Restaurant ganz in der Nähe. Auf der Dachterasse genießen wir den Blick auf die Festung, die von den schon tief stehenden Strahlen der Sonne in ein ganz intensives Licht getaucht wird.
Am Abend besuchen wir Mrs. Vandna Debey. Seit vielen Jahren schon demonstriert sie in ihrem Haus sehr anschaulich die Zubereitung einiger typischer indischer Gerichte. Für uns hat sie Dal (Linsen), Vegetable Pulao (Reisgericht mit Gemüse) und Aloo Gobi (Curry aus Kartoffeln und Blumenkohl) ausgewählt. Natürlich darf auch die Zubereitung von Chapatis nicht fehlen. Da legen wir dann gleich auch selbst Hand an. Anschließend verspeisen wir zusammen Vandna und Sandeep die überaus schmackhaften Gerichte.
Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile miteinander. In den letzten Jahren, so erzählt Vandana, kommen leider nur noch sehr wenig Gäste zu ihren „Koch-Shows“. Das macht sie sehr traurig, denn das zusätzlich verdiente Geld hatte es ihr bisher ermöglicht ihren drei Kindern eine Ausbildung in einer Privatschulle zu ermöglichen. Jetzt kann sie sich das leider kaum noch leisten. Gerne versichern wir ihr, dass wir Ihre „Cooking Demonstration“ weiterempfehlen und gerne in alle von uns angebotenen Reisen aufnehmen werden, in denen Orcha besucht wird. Es hat uns wirklich viel Spaß gemacht und Vandna ist eine ganz Nette!
Oft habe ich schon von Reisenden gehört, dass sie gerne mehr Zeit in Orchha verbracht hätten. Deshalb haben wir für Orcha gleich von Anfang an einen ganzen zusätzlichen Tag eingeplant. Der Ort ist zwar mit gerade einmal 10.000 Einwohnern recht klein, aber es gibt viel zu sehen. Die wichtigsten Tempel und Monumente sind fußläufig zu erreichen und so genießen wir es sehr mit etwas mehr Muße unterwegs zu sein.
Am Morgen nehmen wir jedoch mit Sandeep erst mal den Wagen. Wir wollen zum NGO Projekt Prikriti TARA Recycled Paper & Product Center sieben Kilometer außerhalb. Unter Einbeziehung der Dorfbewohner werden Baumwollabfälle gesammelt, sortiert, gereinigt, zerkleinert und schließlich in einem umweltfreundlichen Produktionsprozess wieder zu Papier verarbeitet.
Es gibt zahlreiche Papiersorten, die hier für verschiedene Zwecke hergestellt werden. Ein Großteil wird zur Weiterverarbeitung an andere Firmen verkauft. Der Rest wird gleich hier zu Gebrauchsgegenständen wie Papiertüten, Papiertaschen, Notizbücher, Papierlaternen und Leuchtsternen verarbeitet. Gerne unterstützten wir dieses Projekt, indem wir einige Dinge kaufen.
Direkt neben dem Orchha Resort und nahe dem Ufer des Betwa-Flusses überragen elf gewaltige Grab-Monumente, die sog. Chhatris, die Umgebung. Für jeden bedeutenden Bundela-Herrscher wurde seinerzeit nach seinem Tod ein solcher Chhatri errichtet. Hier wurde er dann verbrannt und anschließend seine Asche beigesetzt - je bedeutender der Herrscher, desto größer das Monument. Gleich bei einem der Chhatris hat sich ein Wandermusiker mit seinem Harmonium niedergelassen. Mit seinen religiösen Lieder versucht er den Besuchern eine kleine Spende zu entlocken.
Durch die engen und verschlungenen Wege eines Wohngebietes sind wir unterwegs zum Laxmi Tempel, den wir schon von weitem sehen können. Eine Inderinnen ist emsig beschäftigt eine braune Masse im Eingangsbereich vor dem Haus zu verteilen. Das ist ein hiesiger Brauch, erklärt Jitendra. Es handelt sich um Kuhdung. Diesem wird eine desinfizierende Wirkung zugeschrieben. Man läßt ihn trocknen, das ganze wird weiß gekälkt und so sollen Krankheitserreger draußen bleiben. Diese Prozedur wird regelmäßig jede Woche wiederholt.
Viele Touristen kommen nicht hier lang, denn viele verwunderte Blicke treffen uns. Ganz oft kommen die Jüngeren mit der Frage „Selfie?“ zu uns und dann beginnt meistens ein lustiges Foto-Reigen. So ergeben sich auch für uns ganz unaufdringlich immer wieder Gelegenheiten zu schönen Erinnerungs-Fotos.
Schließlich können wir uns aber doch losreißen und erreichen den Laxmi Tempel, der etwas außerhalb hoch oben auf einem Hügel liegt. Allein der Blick von hier oben über Orchha und das Fort sind den Aufstieg schon wert. Der Tempel selbst gilt als ein Meisterwerk, bei dem Festungs- und Tempelarchitektur miteinander verschmelzen.
Der einzige Weg zum Ram Raj Tempel, dem einzigen noch aktiven Tempel mitten in Orcha, führt durch eine sehr lebhafte Fußgängergasse. Die ist gesäumt von unzähligen Geschäften. Händler mit Devotialen, Teestuben und kleine Restaurants wechseln sich ab. Hier bleiben wir erst einmal "hängen" - an den köstlich duftenden frisch fritierten Samosas können wir unmöglich achtlos vorbeigehen. Danach muss es auch unbedingt noch ein leckeres Tässchen Chai sein. Lange schauen wir dem bunten Treiben zu.
Im Ram Raj Tempel findet allabendlich eine Zeremonie statt. Auch Nicht-Hindus können dabei sein. Da müssen wir uns wohl entscheiden - Zeremonie oder Sonnenuntergang. Wir entscheiden uns für den Sonnenuntergang. Bevor wir zum "Sunset-Point" gehen schauen wir noch kurz beim Chaturbhuj Tempel vorbei. der liegt etwas erhöht direkt neben dem Ram Raj Tempel. Vom hier aus haben wir noch einmal einen schönen Blick auf das Orchha Fort. Nun aber schnell!. Nun aber schnell! In der Nähe vom Orcha Resort geht es über eine schmale Brücke auf die andere Uferseite des Betwa-Flusses. Von hier aus würde die Sonne direkt hinter den Chhatris untergehen. Viel Hoffnung auf einen schönen Sonnenuntergang haben wir bei den inzwischen aufgezogen Wolken nicht. Trotzdem harren wir aus - man weiß ja nie. Und richtig - die Sonne schaut doch einige Male zwischen den Wolken hindurch und färbt den Fluss und den Himmel hinter den Chhatris glutrot.
Für die 175 km von Orcha nach Khajuraho brauchen wir mit einer kurzen Pause unterwegs vier Stunden. Die Fahrt führt uns hauptsächlich durch das ländliche Indien. Auch hier ist ein Großteil der Strecke ist gerade „under construction“ So gestaltet sich das Fahren einigermaßen mühsam. Sandeep hofft, dass die neue mehrspurige Straße in den nächsten zwei Jahren fertig gestellt wird.
Kurz nach zwölf kommen wir in Khajuraho an und beziehen erst einmal unsere Zimmer im Golden Tulip Hotel. Das ganze Hotel scheint sich allerdings gerade im Ausnahmezustand zu befinden, denn heute und morgen soll hier eine große indische Hochzeit gefeiert werden.
Trotzdem ist das Golden Tulip für uns eine gute Wahl, denn es sind gerade einmal 500 m zum lebhaften Zentrum des Ortes. Hier befindet sich auch der Eingang zur „westlichen Tempelgruppe“. Tiwari wartet schon auf uns. Er wurde uns als erfahrener „Tempel-Guide“ empfohlen. Mit seinem umfassenden Wissen gibt er uns anhand der detailreichen Skulpturen, die die Tempel über und über schmücken, einen tiefen Einblick in das Pantheon der hinduistischen Götterwelt und der damaligen Lebensumstände.
Die prächtigen Hindu-Tempel aus dem 10. und 12. Jh. aus der Zeit der Chandella-Dynasty sind über und über geschmückt mit Steinreliefs und Skulpturen. Die sind vor allem bekannt für die freizügigen erotischen Darstellungen in Anlehnung an das indische Kamasutra.
Nachdem sich die Chandellas nach wiederholten Angriffen der Moguln aus der Region zurückgezogen hatten, wurden die Tempel aufgegeben und mehr und mehr vom Dschungel überwuchert. Im 16. Jh. war nichts mehr von Ihnen zu sehen. Erst im 19. Jh. wurden die Tempel während der britischen Besatzung wiederentdeckt und erste Restaurierungsarbeiten begannen. Inzwischen gehört die westliche Tempelgruppe zum UNESCO Weltkulturerbe und darf auf keiner Reise zu Indiens Monumenten fehlen.
Bis fast zum Sonnenuntergang genießen wir den Anblick der wunderbaren Tempel, die intensiv im Licht der tiefstehenden Sonne leuchten.
Dann geht es direkt zum "Maharaja Restauant" direkt gegenüber des Einganges zur westlichen Tempelgruppe. Das Restaurant wurde uns empfohlen, da es hier die besten Gerichte aus dem Tandor-Ofen geben soll. Die Speisekarte ist umfangreich und nach einigem Überlegen entscheiden wir uns für eine "Chicken Tikka" (mariniertes Hühnchenfleisch im Tandor-Ofen gegrillt), "Chicken Tikka Masala" (mariniertes und gegrilltes Hühnchenfleisch in einer würzigen Soße), "Paneer Tikka" (indischer Hüttenkäse in einer würzigen Marinade gegrillt) und Lammfleisch, ebenfalls in einer würzigen Soße. Dazu darf natürlich ein Knoblauchbrot (Garlic Nan) nicht fehlen. Was für ein herrliches Schmausen!
Vom Restaurant ging es sogleich wieder zur westlichen Tempelgruppe zur Sound- und Light-Show. Wie schon in Gwalior das Fort werden hier die Tempel stimmungsvoll beleuchtet.
Am Morgen besuchen wir mit Tiwari die östliche Tempelgruppe von Khajurano. Hier ist leider nur ein einziger der alten, großartig mit Skulpturen geschmückten Tempel komplett erhalten geblieben. Einige der zerstörten Tempel wurden inzwischen in einem moderneren und sehr viel einfacheren Stil wieder aufgebau. Dabei wurden die teilweise noch vorhandenen Bauteile der alten Tempel mit einbezogen wurden. Das ist eine sehr interessante und sehenswerte Kombination.
Ganz in der Nähe liegt das kleine Dorf Jatkara inmitten frisch bestellter Felder. Die meisten Häuser sind farbenfroh angestrichen. Jede Farbe hat ihre eigene Bedeutung. So ist z.B. gelb die Farbe der höchsten Kaste der Priester und Brahmanen und blau die Farbe der Handelsleute. Die Wege sind fast alle befestigt und überall ist es ungewöhnlich sauber.
Auch hier wurden wir bei unserem Spaziergang durch das Dorf von den Bewohnern ziemlich ungläubig , aber sehr, sehr freundlich gemustert. Bei den meisten Reisenden beschränkt sich der Besuch in Khajuraho auf die Tempel des UNESCO Weltkulturerbes. Dabei ist es mindestens ebenso interessant, sich einmal in der Umgebung umzuschauen und einen Eindruck von den Lebensumständen der Menschen außerhalb der großen Sehenswürdigkeiten zu erhalten.
Von Tiwari erfahren wir auch einen der Gründe: Eine junge sehr engagierte Studentin aus dem Dorf, Sangeeta, hat eine kleine Hilfsorganisation gegründet - Madhu Human Skil and Develpment Sansthan (MHSDS). Mit viel Mühe und Energie und aus Liebe zu ihrem Dorf schafft sie es immer wieder Spendengelder zu beschaffen. Manchmal sind es nur kleine Beträge. Damit hat Sangeeta ganz uneigennützig viel gutes für Jatkara bewirkt. Sie unterstützt ganz besonders die Madhu Moden Public School. Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie wichtig eine gute Ausbildung für die Kinder ist.
Der Besuch der Schule ist für alle Kinder der Umgebung kostenfrei wie auch die Schuluniformen, Schulbücher und andere Lernmittel. Wenn es das Budget hergibt, dann gibt es für neue Schüler Schulranzen und eine Erstausstattung für den Schulbesuch. Außerdem organisiert Sangeeta Seminare zum Umweltschutz und zur Förderung der biologische Landwirtschaft. Es gibt Workshops und Zusammenkünfte zu vielen wichtigen Themen, die den Bewohnern und dem ganzen Dorf Perspektiven aufzeigen und helfen.
Der Besuch in der Schule und die vielen interessanten Informationen über Sangeeta und ihr kleines Hilfsprojekt haben uns sehr bewegt. Leider haben wir keine Gelegenheit Sangeeta persönlich kennenzulernen, da sie gerade mit ihrem kranken Vater unterwegs war zum Arzt ist. Es ist beeindruckend, was eine einzige junge Frau bewegen kann - ein sehr unterstützenswertes Projekt. Es gibt sogar eine eigene ganz einfache Website für ihr kleines Hilfsprojekt, die einen kleinen Eindruck über das Engegement vermittelt - http://madhudevelopmentsansthan.org
Kaum eine halbe Stunden brauchen wir für die 25 km zum Panna Nationalpark und zu unserer Unterkunft, dem Tendu Leaf Nature Resort. Die Bungalow der Anlage liegen weitläufig im Grasland am Ken-Fluss. Sie sind schön und rustikal eingerichtet und mit allen modernen Annehmlichkeiten ausgestattet. Dabei haben wir ein Wohn- und ein Schlafzimmer und ein großes Badezimmer mit einer Innen- und einer Außendusche.
Am Nachmittag genießen wir die Ruhe und das Nichtstun auf der Veranda vor unserem Bungalow in vollen Zügen. Nach den vielen Erlebnisssen und Besichtigungen tut ein wenig Muße richtig gut. Erst am frühen Abend brechen wir auf zu einer Bootstour auf dem Ken-Fluss. Eine Safari in den Nationalpark können können wir leider heute nicht unternehmen, da alle Parks in Indien am Mittwoch geschlossen sind. Das ist eine Tierschutz-Maßnahme, um den Tieren wenigstens an einem Tag in der Woche ein wenig Ruhe zu gönnen.
Raji, der Naturalist des Resorts, begleitet uns auf der Bootstour und erzählt uns viel interessantes über Flora und Fauna in der Umgebung. Er ist ein begeisterter Vogelliebhaber. Kaum hört er ein Zwitschern oder sieht eine Feder so nennt er uns schon den Namen und zeigt ihn uns das Bild in seinem Vogelbuch. Leise und gemächlich gleiten wir mit unserem Boot durch das ruhige Wasser und so manches schöne Bild von den "Piepmätzen" gelingt. Meine ganz große Liebe gilt den Eisvögeln, die im Englischen "Kingfisher" genannt werden.
Viel zu schnell verabschiedet sich der Tag mit einem schönen Sonnenuntergang.
Unsere erste Dschungelsafari! Aufstehen um halb sechs - ein kurzer Tee und ein paar Kekse in der Lobby gegen sechs – Abfahrt zum Nationalpark kurz vor halb sieben. Das Timing wird von nun an während der nächsten Tage, wenn wir auf unseren Safaris in den Nationalparks unterwegs sind, immer ähnlich sein...und so was nennt sich Urlaub...
Es sind gerade einmal fünf Minuten vom Tendu Leaf Resort bis zum Eingang des Nationalparks. Raji begleitet uns auch heute wieder als Naturalis und fährt gleichzeitig den offenen Safari-Jeep. Voller gespannter Erwartung kommen wir am Eingang des Natinoalparks an. Hier muß Raji uns erst einmal registrieren lassen. Außerdem wird jeder Jeep zusätzlich von einem Park-Ranger begleitet. Dann ist es endlich soweit - um Punkt 7.45 Uhr wird das Tor zum Nationalpark geöffnet und die zahlreichen wartenden Jeeps setzen sich in Bwegung. Schon gestern hatte ich Raji während der Bootstour erzählt, dass es mir trotz vieler Nationalparkbesuche noch nicht gelungen ist auch nur ein einziges Mal einen Tiger zu sehen. Mehrere Male war ich im Chitwan Nationalpark in Nepal auf Tigerpirsch – in Indien im Corbett Nationalpark, im Sariska Nationalpark und im Kaziranga Nationalpark...nicht mal die Schwanzspitze eines Tigers habe ich gesehen...
Raji gibt sich jede erdenkliche Mühe, aber die Tiger des Panna Nationalparkes scheinen sich gut vor uns zu verstecken. Sie haben uns nichts weiter als ihre ganz frischen Fußspuren hinterlassen. Trotzdem ist es eine wirklich schöne und interessante Safari. Wir sehen viele Rehe, die hier in Indien wegen ihrer Punkte im Fell nur "Spotted Deers" genannt werden. Außerdem treffen wir auf unzählige Antilopen, Hirsche und Affen.
Auch viele Vögel lassen sich hier im Panna Nationalpark bewundern.
Am beeindruckendsten finde ich jedoch, dass sich die meisten Tiere durch unseren Jeep und das Motorengeräusch überhaupt nicht stören lassen. Als uns dann auch noch zwei junge Dschungelkatzen über den Weg laufen, ist Raji begeistert. Die sieht man nur sehr selten, erzählt er uns, denn die sind recht scheu. Den Eindruck hatten wir bei den beiden Wildkatzen überhaupt nicht, denn trotz des Motorengeräusches tollten Sie unbekümmert herum.
Ganz überrascht waren wir, dass es hier im Panna Nationalpark sogar Krokodile gibt.
Auch landschaftlich gefällt uns der Panna Nationalpark sehr gut. Schade, dass wir hier nicht mehr Zeit eingeplant haben.
Fast fünf Stunden sind wir unterwegs. Gegen elf Uhr werden die indischen Nationalparks generell geschlossen Bei Verspätung drohen sowohl dem Fahrer wie auch dem Jeep bzw. dem Resort ein einwöchiges Eintrittsverbot in den Park. Das gilt es natürlich unter alle zu verhindern.
Sandeep wartet schon auf uns im Resort. Wir verladen nur noch das Gepäck und dann geht es auch schon los in Richtung Bandavgarh Nationalpark. Etwa 220 km liegen vor uns. Eine Weile folgen wir einem wahrlich "göttlichen" Transporter, der einige Skulpturen und ein Götterbildnis transportiert. Auch hier sind auf einem Großteil der Strecke wieder Bauarbeiten im Gang. Viele Kilometer fahren wir fast unablässig in einer gewaltigen Staubwolke. Gottseidank überstehen wir das ganze in unserem staubdichten Wagen "ungepudert". Welch eine Qual jedoch für die Menschen, die entlang der Straße leben oder ihre Läden betreiben...
Nach ziemlich genau fünf Stunden erreichen wir das Bandav Vilas Resort. Das erste Mal auf unserer Reise verbringen wir drei Nächte an ein und demselben Ort – welch ein gemütlicher Luxus. Die Bungalows des Resorts – zwanzig Stück an der Zahl – liegen versteckt unter Bäumen mitten in der Natur. Auch hier umgibt uns rustikaler Charme verbunden mit vielen Annehmlichkeiten wie z.B. ein Swimmingpool mit Spa. Auch einen Heizlüfter finden wir in unserem Zimmer, denn es ist ziemlich kühl hier – erheblich kühler als noch in Khajuraho oder im Panna Nationalpark.
Nach dem Abendessen fallen wir ziemlich müde in unsere Betten nach den vielen Stunden im Safari-Jeep und anschließend auf Indiens Straßen. Außerdem heißt es auch morgen wieder früh aufstehen zur nächsten Jeep-Safari.
Um sechs Uhr sind wir in der Lobby - wir halten den obligatorischen heißen Tee in den kalten Händen - ein Genuss dieser indische Gewürztee, der kurz "Chai" oder "Masala Chai" genannt wird. Wir wärmen uns die Hände an der heißen Tasse. Es ist "saukalt" so früh am Morgen. Wir haben so ziemlich alles übereinander gezogen was übereinander passt. Mit drei Schichten Fleece-Jacken fühle ich mich fast wie ein wandelnder Wrap. Dann geht es direkt in den offenen Safari-Jeep. Die Fahrzeuge sind ähnlich wie im Panna Nationalpark. Zusätzlich gibt es aber für jeden noch eine wärmende Decke im lustigen Teddybär-Desigh - und - der Hammer - eine WÄRMFLASCHE!!! Die schieben wir uns ganz genüsslich unter die Jacken. Trotzdem sind wir nach der flotten 4 km langen Fahrt zum Tala-Gate einigermaßen durchgefroren. Wie gut, dass es im Nationalpark sehr viel langsamer vorwärts geht und der Fahrtwind nicht so "schneidet".
Voller gespannter Erwartung sitzen wir trotz Decke und Wärmflasche immer noch frierend im Safari-Jeep - dieses Mal auf dem Weg zum „Tigerland“, wie der Bandhavgarh Nationalpark von den Indern voller Stolz genannt wird. Hier wird den Safari-Gästen die Tiger-Sichtung ja schon fast als Garantie mit auf den Weg gegeben. Das erhöht unsere Spannung noch einmal.
Täglich gibt es in den indischen Nationalpark zwei Safari-Zeiten – morgens mit Sonnenaufgang bis halb zwölf und am Nachmittag von drei Uhr bis Sonnenuntergang. Da die Anzahl der Fahrzeuge, die täglich in den Park fahren dürfen, aus Naturschutzgründen streng limitiert ist, ist es am besten die Safaris frühzeitig zu buchen. Das geht frühestens drei Monate im Voraus und die bestätigten Safaris müssen dann auch schon sogleich bezahlt werden.
Auf jeweils zwei Morgen- und zwei Nachmittagssafaris erkunden wir den Park. Bhammu, unserer Safari-Guide und Fahrer, erzählt uns, dass er inzwischen seit fast 20 Jahren nahezu täglich im Park unterwegs ist – erst als Park-Ranger, dann als freiberuflicher Safari-Guide und seit einigen Jahren für das Bandhav Vilas Resort als Naturalist mit den Gästen. „Dann kennst Du wahrscheinlich inzwischen die meisten Tiger mit Namen“, flachse ich…er schaut mich ein wenig verschmitzt an.
Am Morgen bis ca. zehn Uhr und am Nachmittag ab ca. vier Uhr sind die Chancen am größten einen Tiger zu sehen, erzählt uns Bhammu. Dann streifen sie meistens auf Nahrungssuche durch ihr Revier. Während dieser Zeit sind die anderen Tiere des Dschungels extrem wachsam. Sie stoßen laute Warnrufe aus sobald sie einen Tiger herumschleichen sehen. Auf diese Warnrufe warten Bhammu und die anderen Safari-Guides, um so schnell wie möglich mit ihren Gästen in diese Richtung zu fahren. Einige Male hören wir die Warnschreie. Wir sehen auch ganz frische Tigerspuren. Einen Tiger bekommen wir allerdings weder am Morgen noch am Nachmittag zu Gesicht. Jetzt flachst Bhammu – it seems the tiger are on holiday today…
Dafür kreuzen viele andere Tiere unseren Weg – es ist unglaublich, was Bhammu während der Fahrt alles sieht. Egal, ob er weit in der Ferne Schakale oder eine Dschungel-Katze entdeckt oder im Rückspiegel zwei Eulen in einer Asthöhle sitzen sieht… Unzählige Antilopen, Rehe und Hirsche gibt es hier im Park. Insbesondere die sog. „Spotted Deers“ sehen wir auch hier nahezu überall – die beliebteste Beute für den Tiger, meint Bhammu.
Unser zweiter Safari-Tag steht dann allerdings von Beginn an ganz im Zeichen des Tigers. Erst sehen wir einen von drei Tigerbrüdern ziemlich versteckt im Unterholz. Dann überquert er kurz die Jeep-Piste und verschwindet wieder im Dschungel. Kurze Zeit später sahen wir ihn ganz in der Nähe noch einmal, als er sich gemütlich direkt neben der Piste niedergelassen hatte.
Bhammu erzählt uns, dass die drei Brüder etwa zwei Jahre alt und inzwischen sehr selbständig sind. Dann sehen wir die beiden anderen Brüder von Weitem gemeinsam herumstreunen. Etwa später entdecken wir ganz in der Ferne noch einmal einen Tiger, den allerdings nicht einmal Bhammu auf die Distanz genau erkennen kann.
Am Nachmittag hören wir entfernt deutliche Warnrufe von den Affen und den Spotted Deers. Bhammu steuert sofort in diese Richtung. Einige Jeeps warten dort schon in Lauerstellung. Plötzlich bewegt sich etwas im Unterholz ziemlich nah neben den Fahrzeugen...
„Das ist die Mutter der drei Brüder von heute Morgen“, raunt uns Bhammu zu. Sie bewegt sich auf die Sand-Piste zu und läuft diese dann in aller Gemütlichkeit und Gelassenheit entlang und vor uns her. Die Motorengeräusche der Jeeps scheinen sie überhaupt nicht zu interessieren. Sie dreht einige Male ihren Kopf zu uns zurück und trottet dann völlig unbeeindruckt weiter. An einem Baum markiert sie ihr Revier bevor sie einige Schritte weiter wieder im Unterholz verschwindet…was für eine schöne Begegnung!
Wir schauen uns noch in der Umgebung um. Vielleicht können wir ja die Tigerdame noch einmal sichten. Viel Zeit bleibt jedoch nicht, da wir den Nationalpark ja absolut pünktlich am gleichen Gate verlassen müssen, in dem wir hinein gefahren sind. Selbst wenige Minuten Verspätung werden streng geahndet.
Als wir im Hotel ankommen sind wir noch ganz „hin und weg“ von den Bildern in unseren Köpfen. Am Abend spricht uns Bhammu in der Lobby noch einmal an – ob er uns etwas zeigen dürfe. Ja! Natürlich! Gerne! Er führt uns in die Bücherei zu einer riesigen Papierrolle, die er schon für uns ausgerollt hat. Das ist der Stammbaum der Tiger vom Bandhavgarh Nationalpark, erklärt er uns. Ganz oben im Stammbaum steht das erste Tigerpärchen, die damals Atisha und Sanjay genannt wurden. Die beiden waren vor vielen Jahren allein in der Region unterwegs. Von ihnen beiden stammen die meisten der heute im Park lebenden Tiger ab. Mit großer Sorgfalt sind in diesem Stammbaum sämtliche Tiere mit Namen und Geburtsjahr aufgeführt… „Hast Du diesen unglaublichen Stammbaum skizziert“, frage ich ihn und er nickt bescheiden und gleichzeitig ein bisschen stolz. Da hatte ich mit meiner Flachserei, dass er alle Tiger mit Namen kennt, ja ziemlich in's Schwarze getroffen...
Die längste Fahretappe steht an – fast 270 km bis zum Kanha Nationalpark. Dort wollen wir noch einmal unser Safari-Glück versuchen. Sandeep steht schon vor dem Hotel zur Abfahrt bereit. Auf unsere Frage, ob er eine gute Unterkunft gefunden hat, druckst er etwas herum. Erst als wir nochmal nachfragen, meint er, er habe im Auto geschlafen. Die Gästezimmer im nahegelegenen Ort direkt beim Nationalpark waren einfach viel zu teuer, so dass er sich das Geld lieber gespart hat. Das sei für ihn überhaupt kein Problem, merkt er an, darauf sei er vorbereitet, denn das kommt immer mal wieder vor. Für uns ist das für die Zukunft aber ein Grund, vor der Buchung der Hotels zu klären, ob es Fahrerunterkünfte gibt und nötigenfalls auf ein anderes Hotel auszuweichen.
Die Strecke führt durch das sehr ländliche Indien. Auf der Strecke gibt es nur wenige größere Orte. Meistens fahren wir nur durch kleine Dörfer oder sehen einzelne verstreute Häuser-Ansammlungen zwischen den endlosen Feldern. Jetzt in den Wintermonaten sind die meisten Felder mit Getreide bestellt, meint Sandeep. Das frische helle Grün leuchtet weithin in der tief stehenden Morgensonne. Im Sommer während der Monsunzeit wird dann Reis auf denselben Feldern angebaut. So haben die Menschen hier zwei Ernten im Jahr und so ein einigermaßen gesichertes Auskommen.
Da wir schon früh losgefahren sind ist auf den Straßen kaum etwas los. Sandeep und ich flachsen - heute gehört die Straße ganz alleine uns. Damit haben wir offensichtlich ziemlich in’s Schwarze getroffen. Autos scheint es hier fernab der großen Städte nur ganz wenige zu geben. Ab und zu überholen wir mal einen der typisch indisch überladenen Trucks oder ein Motorrad – ansonsten teilen wir uns die Straße mit einigen Fahrradfahrern, Kühen und Ochsenkarren. Die Straße ist noch dazu recht gut und so kommen wir schnell voran.
Gegen halb drei kommen wir in der Chitvan Jungle Lodge an. Sie liegt etwa vier Kilometer in der Pufferzone, die es rund um jeden Nationalpark in Indien gibt. Die müssen sich Menschen und Wildtiere teilen. Die Lodge ist recht einfach im Vergleich zum Bhandhav Vilas Resort, aber trotzdem o.k. Mehrere Bungalow-Blocks liegen verteilt im weitläufigen Garten. Auf zwei Etagen gibt es immer vier Zimmer, die jeweils aus einer wohnzimmerähnlichen Eingangshalle, einem Schlafzimmer und dem Badezimmer bestehen.
Das riesige Restaurant ist in einem separaten Gebäude untergebracht und hat ein wenig Bahnhofshallen-Atmosphäre. Dafür kann man aber wunderschön draußen am Swimmingpool sitzen und das Essen ist wirklich super lecker. Außerdem gibt es hier Fahrerunterkünfte, so dass für Sandeep gesorgt ist und wir den Aufenthalt unbeschwert genießen können.
Eineinhalb Tage und drei Safaris haben wir für den Kanha Nationalpark geplant. "Same procedure as every day" trifft es am besten. Wieder Aufstehen um kurz nach fünf, kurz einen unserer geliebten indischen Chais und los. Es sind nur ca. vier rumpelige Kilometer auf einer nicht asphaltierten Straße durch ein Felder, Wiesen und ein kleines Dorf zum Mukki-Gate, unserem Einfahrtspunkt. Es ist heute noch ziemlich düster, denn der Himmel ist wolkenverhangen. Trotzdem haben Affen und Vögel bereits ihr morgentliches Dschungelkonzert angestimmt.
Kaum eine Viertelstunde sind wir unterwegs als wir von weitem eine Ansammlung von Jeeps sehen. Alle schauen in dieselbe Richtung und fast alle haben ihre Kameras schussbereit. Natürlich steuert Sharma, unser Safari-Guide sofort dorthin. Eine Tigerin liegt – leider in ziemlich großer Entfernung - gemütlich im Gras. Zwischendurch hebt sie mal einigermaßen gelangweilt den Kopf – die zahlreichen Kameras rattern.
Mit dem bloßen Auge ist die Tigerin so weit entfernt kaum zu erkennen. Lediglich durch die Megazooms der meisten Digitalkameras läßt sich ein Blick erhaschen. Leider ist es immer noch recht dunkel und so werden die Fotos selbst mit meiner lichtstarken Kamera ziemlich "pixelig". Trotzdem hat mich die morgentliche Tigerbegegnung sehr begeistert, so dass ich Dir die Bilder nicht vorenthalten möchte. Ich würde mich sehr über Deinen Kommentar freuen, ob Du daran interessiert bist auch solche Bilder zu sehen oder ob ich die lieber in der Zukunft nicht auf meinem Blog zeigen sollte.
Nach einiger Zeit erhebt sie sich. Oft nutzen Tiger dieselben Pfade und so bewegen sich alle Jeeps wie auf Kommando zu einem anderen bestimmten Punkt an einem Bachlauf. Und tatsächlich – schon unterwegs können wir noch einmal einen Blick auf die Tigerin erhaschen. Jetzt ist sie in Begleitung ihres zweijährigen Sohnes, der inzwischen fast größer ist als sie selbst. Auf einer Brücke über einem Bach positionieren sich die Jeeps. Nach einigen Minuten kommen die beiden - allerdings wieder in ziemlich großer Entfernung - aus dem Dickicht. Die beiden kabbeln sich spielerisch und setzen schließlich in einem gewaltigen Sprung über den Bachlauf und verschwinden wieder im Dschungel.
Nach einer Weile setzt sich die Sonne durch und strahlt wieder wie gewohnt von einem klar blauen Himmel. Neben den Tieren, die wir schon mehrfach bewundern durften wie Spotted Deers, Samba Deers und Dschungelkatzen sehen wir auch viele Vögel. Meine ganz große Liebe gilt dabei den Hornbills seit ich die das erste Mal vor vielen Jahren im Kaziranga Nationalpark gesehen habe. Heute haben wir das Glück ein Hornbill-Pärchen zu sehen, aber leider auch nur ganz in der Ferne. Es ist mir ein Rätsel, wie Sharma die mit dem bloßen Auge entdecken konnte.
Aber auch viele andere Tiere kreuzen unseren Weg. Die Sambar Deer-Mama mit ihrem Kitz überquert in aller Gemütsruhe die Jeep-Piste, beäugt uns abschätzend - kommt aber ganz offensichtlich zu dem Schluß, dass wir keine Gefahr darstellen, denn sie zieht ohne Hast oder Unruhe weiter. Mehrere Schakale kreuzen unseren Weg und schließlich sehen wir auch noch einen der sehr seltenen Barasinga Hirsche.
Im Volksmund heißt der Barasinga Hirsch auch Swamp Deer, also Sumpf Hirsch. Den Namen trägt er, da er mit Vorliebe sein Futter im Sumpf bzw. im seichten Wasser sucht. Der stattliche Hirsch, den wir gesehen haben, macht seinem Namen auf jeden Fall alle Ehre. Barasinga bedeutet soviel wie zwölf Enden. Damit sind die bis zu zwölf und mehr Enden des Geweihs gemeint, das die älteren stattlichen Barasinga Hirsche mit Stolz tragen. Das Swamp Deer ist sehr, sehr selten. Diese Art ist endemisch, erzählt unserer Guide voller Stolz, die gibt es nur hier.
Als wir gegen Mittag den Park verlassen fragt Sharma, ob es o.k. ist, wenn er kurz im Dorf auf unserem Weg anhält. Er muss hier kurz bei einem Bekannten etwas abgeben - wir können auch gerne mitkommen. Die Gelegenheit nehmen wir natürlich gerne wahr, so einmal ein wenig Einblick zu nehmen in das dörfliche Leben. Keine Scheu, meint Sharma zu uns, als er merkte, dass wir zögerten einfach so mit ihm in ein Haus einzutreten. Hier stehen immer alle Häuser offen, erzähllt er uns, und jeder kann eintreten und ist willkommen.
Am Nachmittag stehen wir erneut in der Schlange der wartenden Jeeps, die wieder in den Nationalpark hineinfahren wollen. Wir treffen auf ein älteres Pärchen aus Australien und kommen in's Gespräch. Plötzlich werden wir dann auf einmal alle miteinander zu einem begehrten Fotomotiv. Eine Schulklasse auf Klassenausflug hat uns entdeckt und ihr Lehrer fragt uns in ganz gebrochenem Englisch, ob wir bereit sind uns mit den Kindern fotografieren zu lassen. Natürlich stimmen wir zu und schon bald ist unser Jeep komplett belagert und das Fotografierreigen beginnt.
Den Höhepunkt des Tages bietet uns jedoch Jyoti, eine etwa zehnjährige Tiger-Dame. Kurz vor der Abenddämmerung sehen wir sie von weitem gemütlich am Rande einer Lichtung entlang schleichen. Dann dreht sie auf einmal ab und läuft – immer noch ganz gemütlich genau auf uns zu. Inzwischen sind weitere Jeeps angekommen, aber auch das stört sie nicht im geringsten. Schließlich überquert sie knapp drei Meter vor unserem Jeep die Piste und verschwindet dann wieder in aller Gemütsruhe im Dickicht des Dschungels. Was für ein Abshluss für diesen Tag".
Unsere Morgensafari fällt im wahrsten Sinne des Wortes in’s Wasser. Beim Losfahren ist es wie gestern wolkig. Deshalb sind wir voller Hoffnung, dass die Sonne sich auch heute im Laufe des Morgens durchsetzen wird. Es dauert aber nicht lange bis erste zaghafte Regentropfen fallen. Vorsorglich ziehen wir unsere Regen-Capes an – keinen Moment zu früh. Kaum, dass wir uns über den zahlreichen Jackenschichten und der Decke, einigermaßen regendicht verpackt haben geht es auch schon in "Bindfäden" los. Zu sehen gibt es so gut wie nichts - außer einem Affen, der irgendwie verloren auf einem Baumstamm hockt.
Einige Male lauschen wir in den Wald hinein, um vielleicht irgendwo die schon bekannten Tigerwarnrufe zu hören – nichts. Nichts, außer dem Trommeln der Regentropfen auf dem Blätterdach des Dschungels. Wir beschließen zunächst zum sog. "Frühstücks-Punkt" zu fahren und unser "packed breakfast" zu verzehren. Diesen Gedanken hatten auch einige andere Safari-Gäste und so sind wir dort in bester Gesellschaft.
Eine Besserung ist nicht in Sicht. Schließlich entscheiden wir uns die Safari abzubrechen und zum Hotel zurückzufahren. Den Fotoapparat würden wir im offenen Jeep bei diesem Wetter sowieso nicht mehr aus den einigermaßen schützenden Kamerataschen hervor holen. Außerdem scheinen die Regen-Capes auch nicht so ganz dicht zu sein. Langsam aber sicher sucht sich die Nässe ihren Weg...
Nach einer guten Stunde kommen wir endlich mit ziemlich durchnässten Hosen und Schuhen im Resort an. Wie gut, dass wir unser Reisegepäck noch nicht für die Weiterfahrt im Fahrzeug deponiert hatten. Nun heißt es erst einmal umziehen, die nassen Hosen, Schuhe und Strümpfe in Plastiktüten verpacken und dann los. Sandeep hatte uns schon vorzeitig zurückkommen gesehen und stand zur Abfahrt bereit. Im Auto drehte erst einmal die Heizung richtig auf, damit wir uns alle miteinander aufwärmen konnten.
Es sind nur knappe 90 km nach Bhoramdeo. Es regnet immer noch in Strömen. Die ersten 20 km fahren wir auf einer kleinen einspurigen Straße auf der Grenze zwischen dem Kanha Nationalpark und der Pufferzone. Hier gelten strenge Verkehrsregeln zum Schutz von Mensch und Tier. Maximal sind 30 km/h – an einigen Stellen sogar nur 20 km/h erlaubt. Dementsprechend langsam kommen wir voran. Danach dauert es nicht lange bis wir den indischen Bundesstaat Madhya Pradesh hinter uns lassen und Chhattisgarh erreichen.
Inzwischen sind die Straßen allerdings schmaler, schlechter und staubiger bzw. durch den Regen schlammiger geworden. Teilweise fahren wir kilometerlang durch Baustellen. Bei trockenem Wetter versinkt die Umgebung augenscheinlich in einer Staubwolke - jetzt ist die Fahrt stellenweise eine wahre Schlammschlacht. Voll Bedauern denken wir an Sandeep, der das total verdreckte Fahrzeug wieder säubern muss.
Am frühen Nachmittag erreichen wir nach ca. zweieinhalb Stunden das BJR Bhoramdeo Jungle Retreat. Wir werden schon von Sunny und seiner Frau Peeptie erwartet. Der Regen hat zwar inzwischen aufgehört, aber die Wege auf dem Hotel-Gelände sind ziemlich aufgeweicht und haben sich stellenweise in kleine Seen verwandelt. Wir gehen erst einmal auf unser Zimmer. Auch Sandeep erhält hier Unterkunft und Verpflegung. Die Zimmer sind recht einfach, aber mit trotzdem geschmackvoll eingerichtet. Einen Heizlüfter gibt es leider nicht und so sehen wir kaum eine Chance unsere nasse Kleidung zu trocknen, Auf Sonne dürfen wir wohl kaum hoffen, denn die hiesige WetterApp zeigt Wolken und Regen bis zum Wochenende.
Beim Mittagessen treffen wir Sunny und Peeptie wieder. Beide führen das BJR gemeinsam. Sunny hat lange Jahre als Guide in Zentralindien gearbeitet, erzählt er uns. Dann hat er 2004 ein Stück Land gekauft und angefangen die ersten beiden Gästezimmer zu bauen. 2012 hat er drei weitere errichtet - inzwischen sind es sieben. Außerdem gibt es einen schönen überdachten Essensplatz, eine kleine Bar, eine Bücherecke und mehrere kleine Pavillons im Garten.
Nach dem Essen ziehen wir uns erst einmal auf unser Zimmer zurück. Peeptie hat mir ihren Fön geliehen und so versuchen wir unseren nassen Sachen ein wenig zu Leibe zu rücken. Meine pitschnassen Schuhe sind mir dabei am wichtigsten. Nach einer ganzen Weile sind sie wieder in einem einigermaßen tragbaren Zustand…
Das Abendessen ist mindestens so köstlich wie das Mittagessen. Peeptie hat mithilfe von zwei jungen Frauen aus dem benachbarten Dorf selbst gekocht, denn der „Chefkoch“ hat diese Woche Urlaub. Wir sitzen noch eine Weile zusammen und wärmen uns an einem kleinen Lagerfeuer.
Der Himmel ist immer noch wolkenverhangen und es ist feucht-kalt. Wir sitzen gemütlich plaudernd beim Frühstück. Die Aloo-Gobi-Parantha, das leckere indische Gewürzbrot gefüllt mit Kartoffeln und Blumenkohl und der hausgemachte indische Jogurt schmecken köstlich. Zaghaft brechen sich erste Sonnenstrahlen ihre Bahn. Wir schöpfen ein wenig Hoffnung.
Idylle pur! Drei glückliche Hühner picken und gackern in der Umgebung des Essensplatzes – ein graues, ein braunes und ein weißes. Sie liefern einen Großteil der Eier, die im Bhoramdeo Jungle Retreat für die Mahlzeiten benötigt werden. Wie die drei denn heißen, fragen wir. Sie haben keine Namen, meint Peeptie. Ganz spontan wird zunächst einmal das Graue von uns mit dem Namen Klara bedacht.
Das Bhoramdeo Jungle Retreat liegt am Rande des kleinen Ortes Kadwarkha in der Bhoramdeo Region. Vom Resort aus hat man einen herrlichen Blick über die endlosen Wiesen und Felder der Umgebung am Fuß der Maikal Hills. Vereinzelt und verstreut in dieser idyllischen Landschaft liegen weitere kleine Dörfchen. Hier leben hauptsächlich zwei Stammesvölker – die Gonds und die Baigas. Beide sind recht dunkelhäutig und bei einigen Gesichern fühlt man sich fast ein wenig an Afrika erinnert. Die Frauen beider Volksstämme sind fast ausnahmslos sehr schön und grazil.
Am Vormittag zeigt Sunny uns die Umgebung rund um das Resort. Da er hier geboren und aufgewachsen ist, kennt er „jede Nase“ und ist überall ein gern gesehener Gast. Auch westliche Reisende sind gerne gesehen und so werden wir überall sehr, sehr freundlich aufgenommen. Da Sunny nahezu alles, was er für das Resort und seine Gäste benötigt, bei den Einheimischen kauft und diese immer mit einbezieht, profitieren auch sie von seinen Gästen - auch wenn das alles mit den wenigen Zimmern nur in einem kleinen Rahmen stattfindet. Das gibt uns viel Gelegenheit ein wenig Einblick zu nehmen in das Leben der Einheimischen.
Das Leben tickt hier auf dem Land noch ganz anders, erzählt uns Sunny. Die Menschen haben noch Zeit und sie nehmen sich vor allem noch Zeit - für ihre Familie, ihre sozialen Kontakte, ihre Häuser und alles, was das Leben lebenswert macht. Ganz großen Wert legen die Menschen hier auf ein schönes Zuhause. Viele Häuser sind liebevoll und ganz geschmackvoll in verschiedenen Farben angestrichen. In den Häusern selbst und in den Innenhöfen ist es sehr, sehr ordentlich und sauber, wenn auch die Einrichtung sehr einfach ist. Die Dorfgemeinschaft wird noch groß geschrieben. Es wird gemeinsam geplaudert und gefeiert. Natürlich ist es harte Arbeit die Felder zu bestellen und die Ernte einzubringen. Trotzdem sind die meisten Menschen hier recht zufrieden und glücklich, meint Sunny.
Auf unserem Rundgang liegen auch die drei bedeutenden Tempel von Bhoramdeo, die immer ein wenig mit den Tempeln von Khajuraho verglichen werden. Sie sind zwar nicht so über und über mit Steinreliefs verziert, aber auch hier finden wir viele erotische Darstellung, die fast noch ein wenig freizügiger wirken als die in Khajuraho. Allerdings sind die hiesigen Tempel alle noch aktiv und wichtiger Bestandteil des religiösen Lebens.
Am Nachmittag fahren wir in das ca. 40 km entfernte Bodla zum Wochenmarkt. In jedem größeren Ort gibt ein einmal in der Woche einen großen Markt, und zwar immer am Nachmittag. Ein junger Guide vom Bhoramdeo Jungle Retreat begleitet uns und weist Sandeep den Weg. Wir fahren einige "Schleichwege" über winzige Sträßchen durch eine endlose Landschaft aus Wiesen und Feldern. Weit verstreut kommen wir an einigen Gehöfte und kleinen Dörfchen vorbei. Auf dem Markt herrscht schon reges Treiben.
Wie es scheint sind wir eine ziemliche Attraktion hier. Neugierige Blicke folgen uns nahezu überall. Das Smartphone ist hier noch nicht ganz so verbreitet – aber wer eins hat versucht ein Foto von uns zu ergattern oder noch besser ein Selfie mit uns zu machen. So ist es natürlich auch für uns recht leicht Fotos zu machen.
Wir kaufen einige Gewürze und versuchen uns an einem Imbiss-Stand, an dem Pakoras ganz frisch zubereitet werden. Zehn Rupien kostet eine Portion. Die Mini-Pakoras bestehen nur aus Gewürzteig und wurden ohne Gemüse frittiert. Trotzdem sind sie köstlich.
Gerade noch pünktlich sind wir zurück in Bhoramdeo, um im großen Tempel der Abendzeremonie beizuwohnen. Anscheinend hat Sunny uns schon angekündigt, denn wir werden vom Priester direkt begrüßt und gebeten näherzukommen. Wir sollen uns direkt neben dem hochverehrten Shiva Lingam niederlassen. Gleichzeitig bezieht er uns in die sehr stimmungsvolle Zeremonie mit ein. Zum Schluss erhalten wir noch die für diese Zeremonie üblichen Freundschaftsbändchen.
Zu Fuß gehen wir zurück zum Bhoramdeo Jungle Retreat, wo das Abendessen schon auf uns wartet. Es gibt wunderbar leckeres Chicken Curry. Das ist doch hoffentlich nicht Klara, flachsen wir! Nein, flachst Sunny zurück - jetzt, wo Klara einen Namen hat können wir sie nicht mehr essen. Ganz flugs beschließen wir, auch den beiden anderen das Leben zu retten und taufen sie Luise und Martha.
Heute sind wir mit Sagar und Sandeep unterwegs. Sagar ist Englischlehrer an einer der Dorfgrundschulen in Bhoramdeo. Er fährt mit uns zu einigen der umliegenden Stammesdörfer der Gonds und der Baigas.
Der Stamm der Baigas ist bekannt für seine Tätowierungen. Jedes Mädchen, das zur Frau wird, erhält eine erste auf der Stirn, die sie voller Stolz trägt. Ohne dieses erste Tatoo ist es nach alter Stammessitte sehr schwer für sie einen Mann zu finden. Mit jedem weiteren Lebensabschnitt wird die Stirn-Tätowierung dann ergänzt – z. B. wenn sie heiratet oder ihr erstes Kind bekommt. Weitere, sehr viel großflächigere Tätowierungen kommen dann oft im Laufe des Lebens an den Armen und Beinen hinzu.
Nach alter Baiga-Tradition tragen viele der Männer auch heute noch lange Haare. Die werden um den Kopf herum gewunden und vorne vor der Stirn zu einem Knoten gedreht. Das ganze wird dann mit einem Tuch fixiert. Viele Männer wollen damit auch äußerlich zeigen, dass sie zum Volk der Baigas gehören. Aus Naturverbundenheit sind die Baigas hauptsächlich Jäger und Sammler. Das Pflügen halten sie aus alter Tradition für eine Verletzung von Mutter Erde, deren Brust man nicht mit einem Pflug zerkratzten sollte.
In einem etwas größeren Dorf machen wir einen kleinen Spaziergang. Hier leben Gonds und Baigas miteinander. Die Häuser und die Straßen sind auch hier recht gepflegt. Wir besuchen das alte Festungsgebäude. Hier hatten in Kolonialzeiten die Engländer ihren Stützpunkt. Heutzutage sind nur noch die ersten beiden Stockwerke einigermaßen intakt. Wir klettern auf das Dach des obersten Stockwerkes und genießen den wirklich schönen Blick über das Dorf.
Im unteren Geschoss ist heute ein kleiner Baiga-Tempel untergebracht. Auch der dazugehörige Priester hat hier einen kleinen Raum als Unterkunft. Gerne zeigt er uns gegen eine kleine Spende für den Tempel die beiden Tempelräume. Die Wände sind mit beeindruckenden ganz traditionellen Baiga-Wandmalereien geschmückt. Die erinnern ein wenig an „naive Malerei“ und geben Einblick in die Gedanken- und Götterwelt der Baigas, die ein wenig der der Hindus ähnelt.
In einigen Wandnischen sehen wir Ritualgegenstände, deren Gebrauch uns der Prister ausführlich erklärt. Wir lauschen gerne der Baiga-Sprache, die sich so ganz anders anhört als das übliche Hindi. Sagar übersetzt das ganze. Später gesellt sich noch ein junger Baiga-Mann zu uns. Der Prister stellt ihn uns als den gewählten Vertreter und Sprecher der Baigas vor, der mal schauen wollte, wer denn da im Dorf unterwegs ist.
Zusammen mit Sagar besuchen wir die örtliche Grundschule. Sandeep schießt sich uns an, denn es ist auch für ihn das erste Mal, dass er als Fahrer in dieser Gegend unterwegs ist. Da das Wetter einigermaßen trocken und nicht zu sonnig und heiß ist findet der Unterricht heute auf dem Schulhof statt. Dort haben sich die Schüler auf Sitzkissen niedergelassen.
Als wir den Hof betreten sind die Kinder erst einmal ziemlich schüchtern. Sagar zeigt sogleich, dass er mit „Leib und Seele“ Lehrer ist, denn er erklärt den Kindern wer wir sind und woher wir kommen. Da tauen die Kleinen ein wenig auf und die Neugier siegt. Besonders die Mädchen versuchen sich – immer noch ein wenig zaghaft – mit ihren ersten Englischkenntnissen. Die Freude ist groß als sie merken, dass sie sich mit den gelernten Worten tatsächlich verständlich machen können und sogar Antwort erhalten.
Schließlich fordert ihr Lehrer sie auf, dass sie uns doch mal ihre gelernten englischen Gedichte aufsagen. Ein erstes Mädel tritt hervor und wir haben viel Spaß dem Kindergedicht zu lausen. Natürlich werden sie und ihr Gedicht mit großem Applaus bedacht. Und so tritt ein Mädchen nach dem anderen ganz bescheiden und doch mit einem gesunden Selbstbewußtsein hervor... Von den Jungs der Klasse scheint sich keiner zu trauen – die Mädels sind hier ganz offensichtlich um einiges forscher.
Wir dürfen uns die Klassenräume anschauen. Außer einer großen Schreibtafel an der Wand, einem Tisch und zwei Stühlen für die Lehrer gibt es kein Mobiliar. Die Kinder sitzen hier auf Planen und Decken auf dem Fußboden. Auch die zur Schule gehörende Küche ist sehr einfach. Hier sind zwei Köchinnen emsig beschäftigt, das Mittagessen für die Kinder vorzubereiten.
Inzwischen zeigt der indische Staat sehr viel Initiative, einen Anreiz für die Eltern zu schaffen, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Besonders in den ländlichen Gebieten ist das immer noch keine Selbstverständlichkeit. Oft müssen die Kinder bei der Feldarbeit helfen oder beim Hüten der Tiere oder ihrer kleinen Geschwister. Deshalb gibt es für jedes Kind in der Schule ein ordentliches Mittagessen. Außerdem erhält jedes Kind für Zuhause wöchentlich Reis, Linsen und weitere Lebensmittel. Wenn dann die Entscheidung ansteht, ob ein Mädchen eine der weiterführenden Klassen der oberen Stufen besuchen darf, erhält es ein Fahrrad. Das ist für viele einheimische Familien ein wirklich großer Anreiz, denn manche können sich selbst das kaum leisten.
Auf dem Rückweg zum Auto schaut Sandeep sehr nachdenklich. Auf meine Frage hin sagt er traurig, dass die Lebensumstände hier noch wirklich sehr, sehr einfach sind. So einfach war es bei mir zuhause im Dorf als ich noch ein Kind war vor über zwanzig Jahren, meinte er.
Am Nachmittag fahren wir nach Chilpi zum Wochenmark. Hierher kommen traditionell viele der Baigas und Gonds. Wir schlendern gemütlich über das Marktgelände. Es gibt alles, was man zum Leben und Arbeiten braucht, denn weit und breit sind die Wochenmärkte bis heute nahezu die einzige Einkaufsmöglichkeit. Gleichzeitig sind die Märkte immer auch beliebte Treffpunkte, um die neuesten Neuigkeiten mit den teilweise weit entfernt lebenden Nachbarn auszutauschen.
Auch hier werden wir neugierig beobachtet. Fast ungläubig schaut man uns an, als wir an einem der Stände Samosas (indische Teigtaschen gefüllt mit würzigen Kartoffeln und Erbsen) kaufen und die dann auch noch gleich an Ort und Stelle mit großem Genuss verzehren.
Irgendwann im Laufe der Nacht beginnt es wieder zu regnen – unaufhörlich und ziemlich heftig. Am Morgen regnet es noch immer. Garten und Wege haben sich wieder in kleine Seen verwandelt. So tapsen wir vorsichtig von „Insel“ zu „Insel“ zwischen diesen Seen auf dem Weg zum Frühstück. Bei dem Wetter braucht ihr nicht zum Wochenmarkt nach Taragaon zu fahren, meint Sunny. Da gehen die meisten Einheimischen bei diesem Wetter nicht hin...
So lassen wir es am Morgen ruhig angehen und fahren am Nachmittag direkt von Bhoramdeo nach Raipur zum Flughafen. Es regnet immer noch ununterbrochen. Erst kurz vor Raipur wird das Wetter wieder etwas freundlicher. Am Flughafen heißt es nun nach über zwei Wochen Abschied nehmen von Sandeep. Er war uns ein wirklich toller Begleiter und Fahrer. Der Abschied fällt uns einigermaßen schwer, denn inzwischen ist uns Sandeep schon fast ein Freund geworden.
Auf den langen Fahrten haben wir uns viel unterhalten und einiges voneinander erfahren. Sein Englisch hat er sich selbst beigebracht – Stück für Stück im Gespräch mit seinen Fahrgästen. Er lebt mit seiner Familie etwa 200 km nördlich von Delhi in einem kleinen Dorf. Gemeinsam bewirtschaften sie eine Farm. Ganz stolz hat er uns erzählt, dass er sechs Wasserbüffel hat – schon fast ein kleiner Reichtum! Die geben sehr viel bessere und gehaltvollere Milch als Kühe, meinte er, entsprechend teurer kann er die Milch auch verkaufen. Außerdem werden zweimal im Jahr die Felder bestellt – in der Trockenzeit im Winter mit Getreide und im Sommer während der Monsunzeit mit Reis. Das Fahren ist ein guter Nebenverdienst für ihn und seine Familie, auch wenn er manchmal viele Wochen unterwegs ist – aber leider nur während weniger Monate im Jahr zwischen Oktober und März während der besten Reisezeit. Voller Stolz hatte er uns einige Bilder gezeigt, die er mit seinem Smartphone gemacht hatte…
Um Viertel vor sieben geht unser Flug nach Delhi, wo wir pünktlich am Terminal 3 des Flughafens landen. Hier starten und landen ausschließlich innerindische Flüge und so müssen wir zum Termnal 2, zu den internationalen Flügen wechseln. Alles ist sehr gut ausgeschiildert und so dauert der Terminalwechsel kaum 10 Minuten zu Fuß. Am Lufthansa-Schalter werden wir ganz flugs unser Gepäck los und machen uns auf den Weg zum Ausreiseschalter. Die Schlange ist unendlich lang, aber da alle Schalter geöffnet sind geht es flott voran. Ehe wir uns versehen sind wir schon aus Indien ausgereist. Nach der Handgepäckskontrolle geht es zum Flieger in Richtung Frankfurt.
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