Der Westen von Myanmar - insbesondere die Überlandstrecke von Rakhine nach Zentral-Myanmar hat mich schon viele Jahre interessiert. Das sehr interessante Volk der Chin übte eine ganz besondere Fszination auf mich aus! Leider war die Region - außer den Hauptorten Sittwe und Mrauk U - für Touristen gesperrt.
Da horche ich natürlich gleich auf, als Uwe und Helga mich fragen, ob ich denn näheres über die Stammesgebiete des Chin-Volkes im Westen von Myanmar weiß – insbesondere ein Besuch bei den „Spinnennetzfrauen“ intressiert sie – ob die Region inzwischen für westliche Touristen geöffnet ist – dorthin wollen sie doch schon so lange – so ganz abseits der üblichen Touristenpfade, um mit den Angehörigen des Chin-Volkes und den nach uralter Sitte tätowierten Chin-Frauen zusammen zu treffen.
Meine Frage kam wie aus der „Pistole“ geschossen – darf ich mich Euch anschließen? Darf ich und freu mich. Allerdings müssen wir uns noch einige Zeit gedulden, denn die Gebiete, die Uwe und Helga im Blick haben sind noch nicht alle für westliche Touristen geöffnet – aber das wird, hat mir mein guter Freund Chetry aus Myanmr gesagt – nächstes Jahr – spätestens übernächstes Jahr.
Im November 2015 ist es dann endlich soweit. Nach langer und intensiver Planung der Reise brechen wir auf.
Am Flughafen in Frankfurt treffe ich Helga und Uwe. Unser Gepäck werden wir gottseidank schon gleich am aiRail Check-in los, denn das ist dieses Mal etwas umfangreicher ausgefallen. Die Unterkünfte werden in der abgelegenen Region im tiefen Westen von Myanmar, wo bisher erst wenig Touristen unterwegs waren, teilweise einfacher oder sogar sehr, sehr einfach sein.
Da müssen dann natürlich die Schlafsäcke mit, zusätzlich noch ein Fleece-Innenschlafsack für besonders kalte Nächte und vor allem viel technisches Equipment. Wir haben nur wenig zuverlässige Informationen finden können, wie in den abgelegenen Regionen mit der Stromversorgung aussieht – insbesondere, wenn wir in kleinen Dörfern in Homestays übernachten. Deshalb haben wir versucht bestmöglich vorzusorgen, damit wir nicht unterwegs ohne „Saft“ für unsere Kamera-Akkus da stehen.
Die drei Stunden bis zum Start unseres Thai Airways-Fluges vergehen schnell, denn als Vielreisende aus Passion gibt es immer viel zu erzählen. Das gilt genauso für den Flug selbst und ehe wir uns versehen landen wir schon in Yangon.
Die Einreiseformalitäten sind etwas langwieriger, aber das E-Visum funktioniert ganz hervorrragend. Das Gepäck ist schon auf dem Band unterwegs als wir dort ankommen und am Ausgang werden wir von Chetry erwartet, der uns zu unserem Hotel in der Innenstadt bringt. Seit meinem letzten Besuch 2009 hat sich Yangon sehr verändert – von dem Unterschied zu dem fast verschlafenen „Städtchen“, das ich 2002 kennengelernt habe, will ich gar nicht erst sprechen. Wohin man schaut – es wird überall gebaut. Auch der Verkehr ist extrem geworden. Vom Flughafen bis zum Hotel sind wir jetzt in der Hauptverkehrszeit am Morgen weit über eine Stunde unterwegs – fast nur stop and go.
Im Hotel gönnen wir uns erst mal eine kleine Ruhepause mit einem Stündchen Schlaf. Für 14 Uhr haben wir uns in der Lobby verabredet. Der Name unseres Hotels ist Programm – Central Hotel. Es liegt wirklich super zentral – die Sule Pagode und das Bazarviertel liegen kaum zehn Minuten Gehzeit entfernt. Trotz der Veränderungen – es ist sooo schön wieder hier zu sein – schon fast ein ganz kleines bißchen wie nach Hause kommen…
Für unseren Spaziergang zur Sule Pagode haben wir zufällig genau die richtige Zeit getroffen, denn wir geraten mitten in eine Prozession. Auf prunkvoll geschmückten Fahrzeugen werden die Buddha-Statuen des nahegelegenen Klosters zur Sule Pagode gefahren, um dort Segnung erhalten. Mit dabei ist auch ein Fahrzeug mit Musikanlage, Sänger und Musizierenden.
Neben der Shwedagon Pagode ist die Sule Pagode die bedeutendste in Yangon und steht mitten im Zentrum. Stolze 48 m ist sie hoch und glänzt in der schon etwas tiefer stehenden Nachmittagssonne. Da wir heute nichts weiter vor haben können wir uns viel Zeit lassen - ziehen gemütlich mit der Prozession um die Sule Pagode herum und gehen schließlich andächtig hinein.
Durch das Übergießen mit Wasser huldigt diese junge Burmesin dem Buddha und erbringt ihm andächtig seine Ehrerbietung. Durch diese Waschung des Buddhas erlangt man nach dem Glauben der Burmesen einen kleinen Verdienst für ein besseres Karma.
Es wird langsam Abend und so machen wir uns auf dem Rückweg zum Central Hotel. Das ist zwar eines der älteren Hotels und deshalb noch etwas einfacher und vielleicht auch ein klein wenig abgewohnt, aber von der Lage mitten im Zentrum bin ich wirklich begeistert.
Da unser Flug nach Sittwe erst um halb zwölf startet lassen wir es gemütlich angehen. Das Frühstück im Central Hotel ist ziemlich gut – es gibt sogar die Möglichkeit sich Omelette, Spiegelei oder Rührei ganz nach belieben zubereiten zu lassen. Gegenüber meinem ersten Besuch in Myanmar eine wirkliche Verbesserung, denn seinerzeit gab es tatsächlich in JEDEM Hotel nur Toast mit Marmelade und Butter…immer wieder und sonst gar nichts!
Sittwe ist die Hauptstadt des Rakhine- oder Arakan-Staates im Nordwesten von Myanmar nahe an der Grenze zu Bangladesh. Mit über 100.000 Einwohnern gehört sie durchaus zu den größeren Städten in Myanmar und war für die Burmensen lange Zeit eine der schönsten Hafenstädte ihres Landes und ein quirrliges Handelszentrum. Im zweiten Weltkrieg wurde fast die gesamte wirtschaftliche Infrastruktur der Stadt zerstört und konnte nur sehr mühsam wieder aufgebaut werden. Kaum eine Region in Asien war in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg so abgeschnitten von der Außenwelt wie Rakhine. Erst 1996 wurde in der Stadt ein erstes Hotel gebaut, aber nach wie vor ist die Anzahl Touristen, die hierher kommen noch sehr gering. Dabei ist Sittwe der ideale Ausgangsort für die Weiterreise nach Mrauk U, dem alten Königreich von Arakan.
Leider kann Chetry uns auf unserer Tour nicht selbst begleiten und so hat er uns einen Guide besorgt, der sich im abgelegenen Westen von Myanmar und im Gebiet des Chin-Volkes richtig gut auskennt. Sai spricht richtig gut englisch und ist uns von Anfang an sehr sympathisch.
Im schon bekannten Stop-and-Go-Tempo geht es aus der Innenstadt von Yangon zum Flughafen. Dort nimmt uns Sai erst einmal unsere Flugtickets ab und übernimmt das Einchecken für uns. Dabei hat er sogar daran gedacht, jedem von uns einen Fensterplatz zu reservieren – und das sogar noch auf der richtigen rechten Seite im Flieger, da wir ansonsten bei dem Flug entlang der Küste nur auf das offene Meer hinaus geschaut hätten und das wäre bei den Ausblicken wirklich schade gewesen.
Der Flughafen in Sittwe ist denkbar klein. Das Flugzeug der Air KBZ fährt vom Rollfeld direkt vor die Empfangshalle und wir gehen die letzten Meter zur Gepäckausgabe zu Fuß. Um die Zeit, solange es noch hell ist auszunutzen, unternehmen wir erst einige Besichtigungen und schauen uns in dem etwas verschlafen wirkenden Städtchen um.
Im Vorbeifahren sehen wir von Ferne recht sonderbar aussehende Holzgestelle – sieht aus wie Trockengestelle, aber aus der Entfernung können wir nicht so recht erkennen, was da hängt. Da wird Fisch getrocknet, erklärt uns Sai, und zwar auf eine ganz spezielle nur hier übliche Weise. Da müssen wir natürlich hin und das mal näher in Augenschein nehmen.
Die so interessant zubereiteten Trockenfische, die von weitem aussehen wie aufgehängte Lampions, wecken Uwes Kreativität und es kommt das eine oder andere Foto mit außergewöhnlichen Perspektiven dabei heraus.
Hier von unten durch das aufgerissene Maul des Fisches nach oben.
Es fängt langsam an zu dämmern und so kommen wir gerade noch rechtzeitig zur Strandpromenade um den herrlichen Sonnenuntergang zu erleben.
Mit dem Sonnenuntergang kehren wir zurück nach Sittwe und beziehen unser Hotel. Das Shwe Thazin Hotel ist das beste Haus am Platz, aber immer noch sehr einfach, aber sauber und ordentlich und die Zimmer verfügen über eigene Dusche und WC.
Bevor wir heute mit dem Boot nach Mrauk U fahren, wollen wir uns noch den großen Fischmarkt von Sittwe besuchen. Da heißt es früh aufstehen, meint Sai, denn die Fischer kommen oft schon in der ersten Morgendämmerung mit Ihrem Fang zum Hafen, um diesen auf dem Markt zu verkaufen. Also klingelt der Wecker bereits um Viertel nach fünf…und kaum eine Stunde später sind wir nach dem Frühstück auch schon unterwegs. Rund um die riesige Markthalle herrscht bereits reges Treiben.
In der Markthalle selbst sind die Stände schon prall gefüllt mit fangfrischem Fisch, aber auch den getrockneten Fisch, den wir gestern schon bewundern konnten, gibt es hier und vieles mehr.
Direkt hinter der Markthalle liegt der Fischereihafen. Teilweise sind die Boote bereits entladen, aber es legen auch immer noch neue Boote an – hoch beladen mit allen möglichen Fischsorten, die von hier aus direkt zur Markthalle gebracht werden.
Am anderen Ende des Hafens liegt bereits unser Charterboot, das uns heute nach Mrauk U bringen soll. Das liegt jedoch ziemlich versteckt in dritter Reihe hinter anderen Booten. Also geht es erst mal über Bootsstege und über Boote hinweg bis wir das unsrige erreichen.
Für die hiesigen einfachen Verhältnisse waren wir freudig überrascht, als wir unser Boot betraten. Das Dach bot Schutz vor der Sonne und es gab einen Tisch und gemütliche Stühle. Von dem kleinen Sonnendeck aus hatten wir einen herrlichen Ausblick auf die Umgebung. Also tuckerten wir los und ließen die Landschaft an uns vorbei ziehen.
Es geht den Kaladan-Fluß hinauf, der anfangs noch sehr breit ist. Zunächst fahren wir entlang des nördlichen Ufers. Gerne würden wir unterwegs eines der Dörfer besuchen. Allerdings ist es mit unserem Boot gar nicht so einfach einen passenden Steg zum Anlegen zu finden ohne dabei auf Grund zu laufen. Nach einiger Zeit scheinen wir Glück zu haben. Unser Bootsführer will versuchen, ob wir dort anlegen können – und es klappt.
Ganz in der Nähe des Stegs steht ein kleines unscheinbares Gebäude, das Sai sogleich als Schule erkennt und forsch hinein geht und sich mit der Lehrerin unterhält, um uns dann zu berichten.
Insgesamt werden hier ca. 100 Kinder verschiedenen Alters in fünf verschiedenen Klassen in einem großen Raum unterrichtet. Eine einzige Lehrerin ist für den Unterricht der verschiedenen Klassen und Altersstufen zuständig. Während die einen eine Aufgabe bekommen, unterweist sie die anderen. Fremde kommen ganz offensichtlich nicht allzu häufig hierher, denn unser Besuch sorgt für einige Aufregung. Trotzdem geht es alles in allem sehr diszipliniert zu. Als wir die Schule schließlich wieder verlassen – nicht ohne zuvor eine kleine Spende übergeben zu haben - beendet die Lehrerin den Unterricht für heute, denn es ist klar, dass es erst einmal vorbei ist mit der Konzentration. Ein Schwarm von Schülern folgt uns vorsichtig und zurückhaltend bei unserem Gang durch das Dorf.
Hier im Fischerdorf Theigone leben etwa 600 Menschen und es gibt ca. 100 Häuser. Auch von den Erwachsenen werden wir ziemlich erstaunt angeschaut und viele kommen mit ihren Smartphones, die auch hier schon Einzug gehalten haben, und möchten ein Foto von uns machen. Die sanfte und unaufdringliche Freundlichkeit der Menschen hat mich dabei sehr berührt.
Der Dorfoberste erklärt uns, dass sie jetzt in der Trockenzeit ganz intensiv damit beschäftigt sind, die Wege im Dorf zu zementieren, damit sie während der Monsunzeit nicht immer durch den tiefen Morast waten müssen. Stolz zeigt er uns die voranschreitenden Arbeiten. Jeder im Dorf leistet dafür einen kleinen Beitrag nach seinen Möglichkeiten – und wenn es nur ein Sack Zement ist oder die Arbeitsleistung…Ehe ich mich versah wurde mir dann auch gleich ein Tragekorb auf den Rücken gesetzt und ich war als Trägerin engagiert.
Natürlich hat auch jeder von uns mindestens einen Sack Zement für den neuen Gehweg gespendet bevor wir uns dann wieder auf den Rückweg zu unserem Boot machen unter dem Geleit von einigen Dorfbewohnern und vieler Kinder, die sich über unseren Besuch natürlich besonders gefreut haben, da sie heute früher mit der Schule fertig waren.
Es ist spät geworden, denn wir haben uns viel länger als geplant in dem Dorf aufgehalten und unser Boot ist auch nicht gerade eines der schnellsten und so neigt sich der Tag langsam dem Ende zu.
Im Dunklen kommen wir in Mrauk U an und begeben uns direkt vom Bootsanleger zu unserem Hotel. Im Restaurant nehmen wir noch einen kleinen Happen zu uns bevor wir müde in unsere Betten fallen.
Mrauk U, früher Mrohaung, war die Hauptstadt des ehemaligen Königreiches von Arakan. In seiner Blütezeit im 17. Jahrhundert lebten hier über 160.000 Menschen und der Einflußbereich reichte bis tief hinein nach Bangladesh und bis zum Irrawady in Zentralburma. In der Blütezeit des Arakan-Reiches entstanden Tempel, die an die Pracht von Bagan erinnern, auch wenn der Baustil ein ganz anderer ist. Mit der Eroberung von Arakan durch die Burmesen Ende des 18. Jahrhunderts ging es mit der Bedeutung von Arakan mehr und mehr bergab. Die wichtigsten Schätze der Region wurden geplündert - darunter das größte Heiligtum, der Mahamuni Buddha, der heute in Mandalay untergebracht ist.
Auch heute sind wir wieder auf dem Fluss unterwegs. Dieses Mal ist es der Lay Myo-Fluss, den wir nach kurzer Fahrt zum Dorf Sin Ohh Gyi erreichen. Mit einem Langboot geht es flussaufwärts. Gottseidank hat auch dieses Boot ein Dach, das uns ein wenig vor der Sonne schützt, die schon früh am Morgen intensiv von einem tiefblauen Himmel strahlt.
Die Haupteinnahmequelle neben dem Fischfang, dem Verkauf von Bambusstangen und dem Gemüseanbau am fruchtbaren Ufer ist hier das Sammeln der Flusssteine. Diese werden flussabwärts transportiert in die nächsten größeren Städte und sind dort ein begehrtes Baumaterial z.B. im Straßenbau.
Viele Menschen haben sich hier am Ufer Behelfsunterkünfte gebaut, wo sie den Tag oder auch die ganze Woche unterkommen, wenn Sie am Fluss ihrer Arbeit nachgehen.
Unser Hauptinteresse gilt jedoch zwei Dörfern die noch ein gutes Stück weiter flussaufwärts liegen. Wir wollen zum Dorf der „Spinnennetzfrauen“. Die Fahrt dorthin sollte eigentlich nur zwei Stunden dauern, aber wir brauchen fast drei. Der Wasserstand des Lay Myo-Flusses ist teilweise so niedrig, dass wir sehr vorsichtig fahren müssen, um nicht auf Grund zu laufen. Aber schließlich ist es geschafft. Wir halten am Ufer und stapfen die steile Uferböschung hinauf zum Dorf.
Knapp 400 Einwohner in 60 einfachen Häusern aus Bambusmatten leben hier noch ein ganz traditionelles Leben – man könnte fast sagen weitab der modernen Zivilisation. Kein Strom, kein fließendes Wasser, aber dafür viel und harte Arbeit für den Lebensunterhalt. Die meisten Dörfer hier in der Umgebung des Lay Myo Flusses und in den östlich davon liegenden Gebieten bis zum Mt. Victoria und weiter bis ca. 100 km vor Bagan gehören zur Volk der Chin. Mit ca. 1,5 Millionen Menschen sind die Chin eine der größten Volksgruppen in Myanmar und unterteilen sich wiederum in etwa 37 verschiedene Stämme. Etwa zwei Drittel der Chin sind sind durch eine intensive Missionierung zum Christentum konvertiert.
Hier im Dorf leben noch einige ältere Damen des Chin-Volkes mit traditionellen Gesichts-Tätowierungen. In früheren Zeiten war es ein ganz üblicher Brauch, die Chin-Mädchen schon in jungen Jahren im Gesicht zu tätowieren. Dabei gab es je nach Stammeszugehörigkeit verschiedene Muster wie z. B. spinnennetzartig wie Sie hier in der Umgebung rund um Mrauk U am häufigsten vorkommen.
Ganz genau kann heute niemand mehr sagen, wie es zu diesem Brauch der äußerst schmerzhaften Gesichtstätowierungen gekommen ist. Eine Geschichte besagt, dass sich der König einst die schönsten Mädchen des Landes hat bringen lassen. Um dem vorzubeugen haben die Eltern angefangen ihre Töchter mit Tätowierungen zu „verunstalten“. Später wurde diese jedoch eher zum Schönheitssymbol. Ohne eine solche war es sehr schwer für ein Mädchen einen Ehemann zu finden. In den 70iger Jahren wurden die Gesichtstätowierungen dann von der Militärregierung in Yangon verboten.
Wir hatten uns lange überlegt, ob wir diesen Ausflug machen sollten oder nicht, denn man hört und sieht immer wieder davon, wie Touristen – schwer „bewaffnet“ mit ihren Kameras in abgelegenen Dörfern „einfallen“, um die Einheimischen als außergewöhnliche „Attraktionen“ abzulichten. Trotzdem haben wir uns dafür entschieden und – um es vorweg zu nehmen – wir würden es jederzeit wieder machen.
Das wichtigste dabei ist ein wirklich guter Guide. Selten habe ich einen Guide wie Sai kennengelernt, der so respektvoll und auf eine nette und unaufdringliche Art freundschaftlich mit den Einheimischen umgeht - nicht nur mit den tätowierten Damen, sondern generell. Sai kennt die Damen schon von einigen seiner früheren Besuche und so unterhält er sich ihnen – fragt sie, wie es Ihnen geht und vieles mehr. Wir setzen uns ganz zurückhaltend dazu – ohne den Fotoapparat auch nur anzurühren. Schließlich waren es die Damen, die uns neugierig ansprachen und nachfragten, woher wir denn kommen, wie lange wir schon hier sind, wie lange man den von Deutschland hierher unterwegs ist…
Guide Sai übersetzte in die eine und die andere Richtung, es wirde viel gesprochen und auch viel gelacht. Wir übergeben einige kleine Geschenke - eine kleine duftende Seife - eine kleine Tube Creme für wunde Hautstellen und Sai erklärt ihnen den Gebrauch. Eine der Damen ist etwas besorgt über den Gebrauch der Seife und so fragt sie noch einmal bei Sai nach. "Nein", meint er, "Du mußt Dir wirklich keine Sorgen machen, Deine schönen Tätowierungen kannst Du mit der Seite nicht abwaschen".
Schließlich ergibt es sich dann von ganz alleine, dass wir auch ein paar Erinnerungsfotos machen. Mit viel Spaß schauen sich die Damen die Fotos auf den Displays unserer Kameras an. Jede möchte sich die Bilder anschauen, auf denen sie zu sehen ist. Später erzählt uns Sai, dass die Damen ihre Bilder mit viel Spaß aber auch durchaus kritisch angeschaut und das eine oder andere mal geäußert hätten, dass sie auf dem Bild aber nicht so schön aussähen...
Am Nachmittag machen wir uns dann auf den Rückweg per Boot. Flußabwärts geht die Fahrt jetzt ein wenig schneller und so kommen erreichen wir den Ausgangsort unseres Ausfluges, das Dorf Sin Ohh Gyi, nach gut zwei Stunden. Wir kommen genau zur richtigen Zeit an, denn gerade beginnt ein festlicher Umzug zu Ehren eines Jungen, der für einige Zeit – wie das in Myanmar üblich ist – ins Kloster geht.
Auf dem Rückweg zum Hotel fahren wir noch zum „Sunset-Point“. Die Sonne nähert sich langsam dem Horizont und taucht die Tempel von Mrauk U in ein bezauberndes Abendlicht.
Den verschiedenen machtvollen Herrscher des alten Arakan-Königreiches gebot ihr buddhistischer Glaube mindestens eine Pagode oder einen Tempel errichten zu lassen. So sind in Mrauk U ähnlich wie in Bagan unzählige beeindruckende Monumente entstanden, die noch heute bewundert werden können. Zwar sind die einzelnen Pagoden nicht ganz so prächtig wie die von Bagan, aber die Stimmung in dem verschlafen wirkenden Städtchen und der idyllischen ländlichen Umgebung ist geprägt von einer beeindruckend beschaulichen Ursprünglichkeit, die verzaubert.
Wir hatten viel über Mrauk U gelesen und sind ganz gespannt darauf, die Umgebung zu erkunden. So brechen wir schon früh am Morgen auf, um einige er schönsten und wichtigsten Monumente zu besuchen.
Der Kho Thaung Tempel liegt etwa zwei Kilometer östlich des eigentlichen Ortes ganz idyllisch inmitten von Reisfeldern und in einer herrlich tropisch grünen Landschaft. 108 kleine Stupas umgeben den eigentlichen Tempel aus dem 16. Jahrhundert. Im Inneren ist er dem Namen nach mit fast 90.000 beeindruckenden Buddha-Statuen und Buddha-Steinreliefs geschmückt, die den ganzen Tempel in eine ganz besondere Atmosphäre tauchen.
Die Pizi Pagode steht ganz versteckt auf einem Hügel noch etwas weiter südlich vom Kho Thaung Tempel. Schon allein die Aussicht von hier oben lohnt den Aufstieg. Die beiden großen sitzenden Buddha-Statuen, die mit einem so freundlich wohlwollenden und gleichzeitig erhabenen Blick über die weite Landschaft schauen, habe ich als ganz besonders empfunden.
In welche Richtung man hier auch schaut – unzählige weitere Pagoden und Tempel sind auf den Hügeln oder im Grün der sattgrünen tropisch anmutenden Vegetation versteckt. Hier könnte ich mich den ganzen Tag in den schönen An- und Ausblicken verlieren. Am liebsten würde ich hier in aller Ruhe und Gemütlichkeit mit dem Fahrrad unterwegs sein und die Landschaft genießen. Aber Sai will uns noch einiges mehr zeigen, hält die Zeit gut im Blick und mahnt uns zum baldigen Aufbruch.
Das Bandoola Kloster ist eines der bedeutendsten in Mrauk U. Etwa 100 Mönche leben heute hier. Neben den zahlreichen Buddha-Statuen, die überall im Kloster und den Klostertempeln zu finden sind, hat die Statue des Sanda Muni Buddha dem Kloster zu noch größerer Bedeutung verholfen und es zu einem besonderen Pilgerziel für die Einwohner der ganzen Umgebung gemacht. Buddha selbst soll es der Legende nach gewesen sein, der diese Statue auf Bitten des damaligen Königs Sanda Thuriya erschaffen hat, als er den Buddhismus nach Mrauk U brachte.
Weitere ca. tausend Buddha-Figuren wurden im Laufe der wechselvollen Geschichte der Region und des Klosters hier zusammen getragen, so dass eine bedeutende Sammlung entstand, die jedoch die meiste Zeit des Jahres unter Verschluß gehalten wird. Zu den wertvollsten und außergewöhnlichsten Stücken gehören die fünf Miniatur-Buddhas, die auf einen reich verzierten Bronzeständer geschweißt wurden, damit sie in ihrer „Kleinheit“ nicht verloren gehen. Nur einmal im Jahr zu einem bestimmten Vollmond-Festtag werden diese fünf Minatur-Buddhas der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auch Sai hat nicht gewußt, dass heute dieser Festtag ist und war tief bewegt, dass wir die Gelegenheit haben, dieses Kleinod zu betrachten.
Der Detailreichtum dieser winzigen Buddhas ist unglaublich, wenn man bedenkt, dass der Aufbau, auf dem sie sitzen, kaum größer als eine Fingerkuppe ist. Welch ein Erlebnis diese wertvollen Buddhas betrachten zu dürfen.
Die Shitthaung Pagode aus dem 16. Jahrhundert wird immer wieder als eine der schönsten oder sogar spektakulärsten in Mrauk U beschrieben, als der „Schrein der 80.000 Figuren“. 1000 Arbeiter haben angeblich die festungsähnlichen Mauern aus massiven Sandsteinblöcken ohne Mörtel in nur einem Jahr zusammen gesetzt.
Schon vom Gewölbegang der Shittaung Pagode hat man einen tollen Blick auf die nur 30 m entfernte Andaw Pagode. Hier soll eine Zahnreliequie des Buddha aufbewahrt werden, die von Sri Lanka aus nach Rakhine gebracht worden sein sollen.
Zu einem ausführlichen Besuch, den die Andaw Pagode mit Sicherheit wert ist, wollen wir uns jetzt keine Zeit mehr nehmen. Zum einen sind Helga und Uwe gottseidank auch der Meinung, dass man nicht jedes Kloster, jeden Tempel und jede Pagode gesehen haben muß, zum anderen wollen wir gerne noch einmal zum Sunset-Point, um noch einmal die einzigartige Atmosphäre dort zu genießen und noch einmal zu versuchen, diese noch besser mit unseren Fotos einzufangen.
Heute heißt es Abschied nehmen von Mrauk U. Fahrzeug, ein 4WD Toyota Pajero für die Überlandfahrt durch die Chin-Berge mit Fahrer sind schon abfahrbereit. Wir laden unser Gepäck ein und dann geht es los. Die nächsten ca. 170 km fahren wir durch das ländliche Myanmar in Richtung Süden – mehr oder weniger immer parallel zur Küstenlinie. Die Straße ist in einem recht guten Zustand und es gibt nur wenig Verkehr.
Es sind hauptsächlich kleine Dörfer, die in Straßennähe oder etwas zurückversetzt zur Straße in einer üppigen subtropischen Natur liegen. Größere Orte oder gar Städte scheint es hier nicht zu geben.
Fremde scheinen hier so kaum lang zu kommen, denn wenn immer wir entdeckt werden schaut man uns mehr wie erstaunt, ja fast ungläubig an. Die Menschen, die wir unterwegs treffen sind sehr zurückhaltend, aber trotzdem auch sehr freundlich.
Am beeindruckendsten war allerdings die Landschaft. Ganz spontan kamen mir die Worte „water wonder world“ in den Sinn, denn das beschreibt es am besten. Auf dem Flug von Yangon nach Sittwe entlang der Westküsten Myanmars hatten wir diese Wasser-Wunderwelt bereits von oben bewundern können – nun fuhren wir mitten hindurch und konnten uns kaum satt sehen.
In Ann, dem einzigen etwas größeren Ort auf unserer Strecke legen wir einen kurzen Halt ein, um zu Mittag zu essen – dann geht es auch schon direkt weiter. Von nun an fahren wir in Richtung Osten durch die wilden Chin-Berge. Ganz im Gegensatz zum Landesinneren von Myanmar ist die Landschaft hier in der Küstenregion und in den Chin-Bergen üppig grün bewachsen.
Nach weiteren knapp drei Stunden Fahrt erreichen wir das Chin-Dorf, in dem wir heute übernachten. Das Dorf liegt hoch oben am Berghang, so dass unser 4WD das erste Mal zeigen kann, was er auf der unbefestigten Straße steil bergauf zu leisten vermag. Im Dorf werden wir schon erwartet und ziemlich neugierig, aber sehr freundlich gemustert.
Sai hatte uns bereits angekündigt und so wußte bereits das ganze Dorf, dass heute Fremde ankommen, die sogar über Nacht bleiben würden. In der Vergangenheit waren zwar schon einmal hin und wieder westliche Touristen hierher gekommen, aber noch nie Übernachtungsgäste. Da sind wir ersten.
Ein Rundgang durch das dorf ist leider nicht mehr möglich, denn es dämmert bereits. Außerdem laden uns unsere Gastgeber erst einmal in’s Haus ein. Hier lassen wir uns auf Bastmatten auf dem Boden nieder. Bei Snacks und Getränken entspannt sich eine angeregte Unterhaltung, bei der Sai übersetzt – soweit er dazu die Zeit findet.
Denn unsere Absicht, hier im Dorf zu übernachten sorgt für einigen Wirbel. Wie überall in den Stammesgebieten muss Sai uns beim Distriktvorstand anmelden. Der ist offensichtlich völlig außer sich darüber, dass wir hier im Dorf übernachten wollen. Sai sendet ihm die Fotos von unseren Sonderpermits per Smartphone und noch ein Erklärungsschreiben, das er auf die Schnelle verfasst. Doch der Bezirksvorstand ist überhaupt nicht zu beruhigen – es sei viel zu gefährlich für uns Touristen hier bei den Chin im Dorf zu übernachten – wir sollen sofort das Dorf verlassen – zu unserer eigenen Sicherheit ….
Gefährlich?...Zu unserer eigenen Sicherheit?...
Was für ein Quatsch! Nirgendwo könnten wir uns sicherer fühlen als hier im Dorf bei unseren überaus freundlichen Gastgebern! Sai hat dann gottseidank plausibel darlegen können, dass es weitaus gefährlicher sei, jetzt in dunkler Nacht das Dorf zu verlassen – wo sollten wir denn jetzt zu später Stunden noch hin – es gibt hier weit und breit kein Gästehaus oder Hotel. Schließlich willigt der so um unsere Sicherheit besorgte Distriktvorstand ein, aber unter der strengen Auflage, dass wir morgen bis spätestens acht Uhr dieses gefährliche Dorf verlassen und Sai während der Nacht alle zwei Stunden Bescheid gibt, dass noch alles in Ordnung ist. Armer Sai – damit war seine Nachtruhe auf jeden Fall erst mal dahin…
Etwas später wird uns ein unglaublich leckeres Abendessen serviert – ganz typische Chin-Küche von der Frau des Hauses liebevoll und unter einfachsten Bedingungen auf einer offenen Feuerstelle und einem kleinen Gaskocher zubereitet.
Danach ist es Zeit für die allgemeine Nachtruhe. Für unser Nachtlager werden uns einige Bastmatten und Matten gebracht. Außerdem gibt es für jeden eine warme Decke, die wir uns noch über unsere Schlafsäcke legen, denn hier oben in den Chin-Bergen wird es Ende November schon recht kühl. Es ist eine ziemlich anstrengende Nacht, denn das Schlafen auf so hartem Boden bin ich überhaupt nicht gewohnt. Nach kurzer Zeit werde ich immer wieder wach, da die Seite, auf der ich liege heftig schmerzt. Das Herumdrehen auf die andere Seite bringt immer nur sehr kurzzeitig Linderung. So kämpfe ich mich durch die Nacht und bewundere Helfa und Uwe, denen der harte Boden überhaupt nichts ausmacht. Beide schlafen ruhig und tief die Ganze Nacht durch.
Mit den ersten Sonnenstrahlen gegen fünf Uhr erwacht das Leben im Dorf. Auch bei uns im Haus rumort es und so werden wir zwangsläufig wach. Ich bin froh, dass die Nacht vorbei ist, denn inzwischen schmerzen die Knochen vom Liegen auf dem harten Boden heftig. Nach einer Katzenwäsche mit Feuchtetüchern im Schlafsack packen wir unsere "Sieben-Sachen" zusammen und machen mit Sai noch einen kleinen Rundgang durch das Dorf.
Es war sehr ruhig im Dorf. Die Bewohner hatten ihre Häuser bereits mit den ersten Sonnenstrahlen verlassen, um ihrer Arbeit nachzugehen. Die Felder liegen höher in den Bergen und auch das Wasser muss von einer Quelle hoch oben am Berghang geholt werden. Das ist sehr mühevoll und beschwerlich für die Menschen hier und kostet viel Zeit. So plant man im dorf den Bau einer Wasserleitung. Das Material dafür wurde bereits gekauft. Da ist die kleine Spende von uns natürlich sehr willkommen und wird freudig angenommen.
Etwas Leben herrscht doch noch im Dorf. Eine ältere Dame kommt – wie es scheint – neugierig herbei – sie trägt sogar die traditionelle Stammestracht und Sai fragt sie für uns, ob wir sie fotografieren dürfen – ja, dürfen wir – kein Problem. Es dauert nicht lange und eine weitere ältere Dame kommt herbei in ihrer traditionellen Tracht und dann waren es drei – dann vier…
Und dann gibt es kein Entrinnen mehr! Eine der Damen holt noch eine weitere Tracht aus ihrem schönen Tragekorb und ich werde standes- bzw. stammesgemäß eingekleidet. Wickelrock, Bluse und – ganz wichtig – das Tuch um den Kopf…
Was für ein Spaß für alle! Ein schönes Gruppenfoto darf zum Schluß natürlich nicht fehlen und Sai verspricht, dass er beim nächsten Besuch für jede von Ihnen ein paar schöne Abzüge von den Bildern mitbringt. Jetzt bleibt uns gerade noch etwas Zeit zum Frühstücken und dann müssen wir leider ja auch schon aufbrechen.
Um acht Uhr– so lautete die gestrige Anweisung des Bezirksvorstandes – müssen wir das Dorf verlassen. Gerne würden wir noch etwas mehr Zeit hier verbringen, aber Sai meint, dass wir uns unbedingt an diese Anweisung halten sollen, um Ärger für die Dorfbewohner und eventuell auch für ihn selbst zu vermeiden. Von unserer Gastfamilie werden wir ganz herzlich verabschiedet und dann brechen wir auf in Richtung Kampalet. Die erste Viertelstunde geht es erst wieder steil bergab bis hinunter ins Tal. Die Chin-Berge lassen wir jetzt ziemlich schnell hinter uns und erreichen die Ebene, die schon wieder zu Zentral-Myanmar gehört. Hier wenden wir uns in Richtung Norden. Autoverkehr gibt es hier auch nur sehr wenig. Trotzdem ist einiges los auf der Straße.
Helga hat sie im Vorbeifahren zuerst entdeckt – die hölzerne „Kuhglocke“ am Hals einer Kuh. Sie kannte das schon von ihrer ersten Reise nach Myanmar vor vielen Jahren. Fortan achten wir verstärkt darauf – und tatsächlich – viele der Kühe tragen immer noch ein solches Holz-„Teil“ um den Hals. So etwas hatte ich noch nie zuvor irgendwo gesehen und so will ich mir das unbedingt einmal näher anschauen. Bei der nächsten Kuh mit so einem Ding wird angehalten. Die Besitzerin staunt nicht schlecht, dass ihre Kuh bzw. das Ding um deren Hals eine solche Beachtung findet und kann sich ihre Belustigung nicht ganz verkneifen. Sai erklärt ihr unser Interesse und kurzerhand schenkt sie es mir. Geld will sie auf keinen Fall dafür nehmen. Aber natürlich gibt es noch ein Erinnerungsfoto, bei dem ich mir die hölzerne Glocke gleich selbst um den Hals hänge. Was mag die Burmesin nur denken…diese verrückten Touristen…
Gegen Mittag erreichen wir die „große Kreuzung“. In östlicher Richtung geht es nach Bagan – in westlicher Richtung nach Kampalet und wieder hinein in die Chin-Berge, die hier allerdings sehr viel höher aufragen. Die Straße wird immer schlechter je weiter wir uns von der Hauptroute entfernen. Stellenweise verdient sie kaum diesen Namen. Es gibt viele Baustellen und so kommen wir nur langsam voran und sind nach einiger Zeit staubgepudert, denn so ganz staubdicht ist unser Jeep leider nicht.
Unser Hotel, das Oasis Eco Resort, liegt etwa fünf Kilometer außerhalb von Kampalet mitten in der schönen Natur. Dafür haben wir momentan jedoch kaum einen Blick, denn wir würden erst einmal gerne den Staub abwaschen. Da es ziemlich spät geworden ist beschließen wir heute außer dem gemeinsamen Abendessen nichts mehr weiter zu unternehmen und einfach nur die Ruhe und das Nichtstun zu genießen.
Das Hotel ist recht einfach, aber für die abgelegene Region recht ordentlich. Warmes Wasser für die ersehnte Dusche gibt es allerdings erst nach über einer Stunde, nachdem der Strom eingeschaltet und das Wasser in den Boilern erhitzt ist.
Kampalet liegt etwa 200 km westlich von Bagan mitten in den Chin-Bergen auf einer Höhe von 1.380 m. Wie in Rakhine leben auch hier die Menschen meistens noch in sehr kleinen traditionellen Dörfern zwischen den umliegenden Bergen. Oft sind diese Dörfer nur mühsam und nach tagelangen Wanderungen zu erreichen. Strom und fließendes Wasser gibt es nur in dem etwas größeren Ort Kampalat oder dem Nachbarort Mindat. Frauen mit den traditionellen Tätowierungen trifft man in der ganzen Umgebung noch relativ häufig an. Außerdem sind es von hier aus nur 24 km bis zum Gipfel des 3.057 m hoch aufragenden Gipfel des Mt. Victoria, den dritthöchsten in Myanmar, den man inzwischen sogar mit dem Jeep erreichen kann.
Über die Chin-Dörfer rund um Kampalet haben wir schon viel gehört und gelesen und so freuen wir uns ganz besonders jetzt selbst hier zu sein. Nach einen frühen Frühstück – wir sind momentan die einzigen Gäste im Oasis Eco Resort – brechen wir auch sogleich auf.
Zunächst fahren wir nach Kampalet, um uns dort kurz umzuschauen. Kaum dass wir ausgestiegen sind sehen wir auch schon die erste kunstvoll tätowierte Chin-Dame. So kontaktfreudig wie Sai ist, spricht er sie gleich an und es entspannt sich eine angeregte Unterhaltung. Wir lauschen interessiert, auch wenn wir kein einziges Wort verstehen. Sai hat eine so nette Art, dass die Damen – gleich welchen Alters – ganz schnell „auftauen“ und sich angeregt und interessiert mit ihm unterhalten. Ganz oft sind sie dann auch ganz neugierig mehr über uns zu erfahren. Dadurch ist der Kontakt zu den Einheimischen so natürlich und unverkrampft - eine Begegnung eben - und nicht nur das Ablichten eines Fotomotivs.
Die Tätowierungen der hiesigen Chin-Damen haben eine ganz andere Zeichnung wie die in Mrauk U. Rund um Kampalet leben hauptsächlich die Chin des Munn- und Naha-Stammes. Mit dem Fahrzeug und zu Fuß sind wir den ganzen Tag von einem Chin-Dorf zum nächsten unterwegs und haben dabei so manche nette Begegnung.
Das Gefühl für die Zeit haben wir auf unserer Tour anscheinend verloren. Uns war überhaupt nicht bewußt, dass heute Sonntag ist. Deshalb schauen wir uns erst einmal überrascht an, als wir von weitem Gesang hören. Dem gehen wir sogleich nach und da stehen wir plötzlich vor einer Kirche – mitten im Grünen an einem steilen Berghang – irgendwo im nirgendwo… Der Gottesdienst scheint gerade vorbei zu sein.
Viele Einheimische machen sich jetzt auf dem Heimweg, denn für mache ist der Weg weit. Andere nutzen die Zeit zu einem Plausch mit den Nachbarn. Die Häuser der einzelnen Dörfer liegen teilweise weit verstreut. Direkte Nachbarn sind selten. Deshalb legen auch wir einges an Strecken zu Fuß zurück.
Einige Häuser in einem der Dörfer wirken etwas wohlhabener. Hier wird sogar am Sonntag fleißig gearbeitet.
Woanders wird dagegen der Sonntag gefeiert und der Müßiggang gepflegt…
Von Kampalet aus sind es gerade einmal 24 km bis hinauf auf den Gipfel des Mt. Victoria. Der ist mit 3.053 m eine der höchsten Berge in Myanmar. Die Informationen hierzu sind sehr widersprüchlich – die einen sagen er ist der dritthöchste –andere sagen er sei der zweithöchste. Eines ist jedoch sicher – er ist der höchste im Chin-Staat und wird von den Einheimischen liebevoll. "Mutter der Geister" genannt. Er liegt mitten im gleichnamigen Natiionalpark, der die einzigartige Natur schützen soll. Ein guter Wanderweg führt hinauf auf den Gipfel, den man auf einem Tagesausflug erreichen kann. Für die weniger sportlichen oder diejenigen, die nicht so viel Zeit erübrigen können, gibt es inzwischen auch eine Jeep-Piste hinauf. Die ist allerdings nur in der Trockenzeit von November bis April/Mai befahrbar.
Bevor wir zum Gipfel des Mt. Victoria aufbrechen heißt es erst einmal Tanken. Eine Tankstelle gibt es bisher in Kampalet und Umgebung nicht. Benzin wird von weither großen Tonnen angeliefert und direkt daraus verkauft. Mit einem Gummischlauch wird der Sprit angesaugt und in Kanister, Eimer oder sonstige Gefäße abgefüllt.
Wir sind begeistert von der herrlichen Landschaft rund um Kampalet und den Mt. Victoria. Zwischen üppigem Grün liegen die Dörfer verstreut an den Berghängen und der Blick reicht weit bis über das Tiefland zum Horizont. Was für herrliche Ausblicke. Wir können uns kaum satt sehen. Hinter jede Kurve wartet eine neue Aussicht, an der wir nicht ohne Fotostop vorbei kommen.
Ende November/Dezember beginnt in dieser Region in den etwas tieferen Lagen die Zeit der Kirschblüte. Den einen oder anderen blühenden Kirschbaum konnten wir unterwegs schon bewundern, aber das war nichts im Vergleich zu dem Anblick, der sich uns hier bietet.
Dann beginnt unsere Fahrt auf den Mt. Victoria. In engen Serpentinen windet sich die Staubpiste steil hinauf. Unser Jeep leistet Schwerstarbeit. Größtenteils führt die Strecke durch dichten Wald und nur hin und wieder können wir einen Blick durch das Dickicht in die Ferne erhaschen. Die Ausblicke auf die Umgebung werden immer schöner.
Der Gipfel des Mt. Victoria ist kein Gipfel im eigentlichen Sinne sondern eher eine kleine Hochebene, die zu allen Seiten hin abfällt. Gekrönt wird er von einer kleinen goldenen Pagode und einem weißen sitzenden Buddha. Was für ein einmaliger Ausblick. Bei klarem Wetter reicht der Blick über die vielen Bergrücken im Westen bis nach Bangladesh und Indien.
Wohin man schaut - überall Rhododendren. Die scheinen sich hier oben besonders wohl zu fühlen. Während der Blütezeit, erzählt Sai, sind die Berghänge in der ganzen Umgebung ein einziges Blütenmeer. Jetzt Ende November ist hier oben auf 3.000 m Höhe auch in Myanmar eigentlich so etwas wie Winter, so dass wir nur wenig blühendes finden. Einige wenige Pflanzen sind etwas vorwitziger und haben sich mit einigen frühen Blüten hervor gewagt.
Schließlich reißen wir uns aber doch los - allerdings nicht bevor wir noch ein paar schön Gipfelfoto mit Buddha machen. Inzwischen sind auch noch andere Besucher gekommen und die Gelegenheit müssen wir nutzen. Die werden gleich zum Foto-Schießen rekrutiert, damit wir auch mal alle zusammen auf einem Erinnerungsfoto sind.
Auf demselben Weg, den wir gekommen sind, geht es jetzt wieder bergab. Den Nachmittag möchten wir auf einer schönen Wanderung verbringen - ein par Kilometer in der herrlichen Landschaft entlang der tiefer liegenden Berghänge von Dorf zu Dorf.
Da die Einheimischen jetzt kaum Arbeit auf den Feldern haben, gönnen sich viele etwas Müßiggang. „Kommt doch rein“ übersetzt Sai uns die vielen freundlichen Einladungen, wenn wir wieder an einem Haus vorbeikommen. Hier „geraten“ wir dabei mitten in eine nette Damenrunde. Ihre Männer sind gerade auf der Jagd, erzählen sie. Da nutzen Sie die Gelegenheit und vertreiben sich die Zeit mit dem neusten Klatsch und Tratsch, einem Pfeifchen und auch ein Gläschen Selbstgebrannter gehört dazu.
Wir fühlen uns eher wie die „Entdeckten“ als die „Entdecker“. Neugierig, aber freundlich und unaufdringlich werden wir gemustert. Fremde kommen nur selten hier vorbei und da scheinen sie sich sehr über die interessante Abwechslung zu freuen. Sai ist ziemlich gefordert, denn das Übesetzen ist nicht immer ganz einfach durch die vielen verschiedenen Dialekte der Chin-Stämme und die Damen sind ziemlich neugierig. Wie alt wir sind...wie lange wir verheiratet sind...wieviele Kinder wir haben...sind nur einige der zahlreichen Fragen.
Nach einiger Zeit verabschieden wir uns, nicht zuletzt auch um der freundlichen Einladung auf ein Gläschen Selbstgebranntem zu entkommen. Aus dem Haus nebenan hören wir dramatische Stimmen gemischt mit Musik und Gelächter. Da scheint ja richtig was los zu sein! „Gehen wir doch einfach mal hin und schauen“, meint Sai. Wir treffen auf eine weitere Damenrunde, die sich gerade - wir können es kaum glauben - bei einem Film amüsiert. Die Technik hat also auch hier schon Einzug gehalten, denn auf dem Tisch steht ein nagelneuer DVD-Player.
Stolz zeigt man auf den kleinen Bildschirm und lädt uns ein mitzuschauen. Stören lassen sie sich allerdings durch uns weiters nicht sondern widmen sich gleich wieder dem offensichtlich hochdramatischen Filmgeschehen. Da ziehen wir uns lieber wieder zurück und setzen unsere kleine Wanderung fort.
Was für interessante und schöne Begegnungen – die vielen freundlichen Einladungen – die ungezwungene und natürliche Art der einheimischen Chin-Damen ohne irgendwelche Berührungsängste und mit einem ganz eigenen Selbstverständnis. Das hat uns alle sehr begeistert und auch berührt und es tut uns leid, dass wir schon ans Weiterfahren denken müssen.
Nach kurzer Fahrt erreichen wir das Aye Camp, eine einfache Unterkunft „in the middle of nowhere“ im „Dreieck“ zwischen Kampalet, dem Mt. Victoria und zweiten hauptort der Region - Mindat. Hauptsächlich wird das Aye Camp von Trekkern genutzt, die hier im Nationalpark unterwegs sind. Die Zimmer sind sehr einfach, geschlafen wird auf Matrazen auf dem Boden. Es gibt drei Gemeinschaftstoiletten und zwei Gemeinschaftsduschen, allerdings nur mit kaltem Wasser. Da haben wir schon schlechter geschlafen. Insbesondere die Matrazen sind dick und angenehm weich.
Zur „Tea Time“, die auch gerne hier in Myanmar als Relikt der englischen Kolonialzeit gerne zelebriert wird, genießen wir die letzten wärmenden Sonnenstrahlen vor dem Gästehaus. Im Schatten ist es bereits empfindlich kalt. Sai hat auf dem Markt in Kampalet Avocados, Zwiebeln und Knoblauch gekauft und bereitet daraus eine köstliche Avocado-Creme, von der uns schon seit Tagen vorgeschwärmt hat.
Viel zu früh am Morgen erwacht das Leben im Aye Camp. Da die Zimmer nicht richtig in sich abgeschlossen sind, hören wir aus den Nachbarräumen nahezu jedes Geräusch. In der allgemeinen Aufbruchstimmung ist deshalb an Schlaf kaum noch zu denken. So packen auch wir flugs unsere Siebensachen zusammen und treffen uns zum gemütlichen Frühstück auf der Veranda in der wärmenden Sonne.
Für heute haben wir eine Tageswanderung durch die herrliche Natur der Chin-Berge geplant, bei der wir von Dorf zu Dorf unterwegs sind und schließlich bei einer Chin-Familie zuhause übernachten werden. Wir sind schon ganz gespannt! Mit dem Jeep brauchen wir gerade einmal 15 Minuten zum Ausgangspunkt unserer Wanderung. An Gepäck haben wir nur das nötigste in unseren Tagesrucksäcken mitgenommen - für eine einzige Nacht brauchen wir ja nicht viel.
Von der Straße zweigt ein kleiner Fußpfad ab, der gemächlich bergab führt. Lt. Sai führt der Weg zunächst bis hinunter ins Tal zum Fluss, den wir auf einer Brücke überqueren. Von dort aus geht es auf der anderen Seite den Berghang wieder hinauf bis auf etwa dieselbe Höhe. Wenn das geschafft ist, haben wir das „schlimmste“ hinter uns, denn bleiben wir fast immer auf gleicher Höhe von Dorf zu Dorf den Berghang entlang.
Auf dieser Seite des Berghanges stehen nur ganz vereinzelte Häuser. Es ist noch früh am Morgen, aber es herrscht schon reges Leben. Ein älterer Chin hockt gemütlich und wie es aussieht ziemlich genüsslich auf der Veranda seines Hauses in der wärmenden Morgensonne und schärft ein Messer. Als er hochschaut huscht ein Lächeln über sein Gesicht und er begrüßt uns freundlich.
Der Weg und die Ausblicke begeistern uns. Es ist herrlich hier am frühen Morgen unterwegs zu sein.
Helga ist ganz außer sich vor Freude als sie die vor einem Haus etwas abseits vom Weg diese Opferpfähle sieht. In früheren Zeiten wurden die Opfertiere, meistens Bullen oder Mithuns in der oberen Gabel fixiert. Ob diese Opferpfähle auch heute noch gebraucht werden konnten wir leider nicht in Erfahrung bringen. Dafür kam die Hausbesitzerin herbei und war ganz erstaunt, dass wir uns für diese alten Pfähle interressierten.
Nach einer guten Stunde haben wir es schon geschafft - der Fluss ist erreicht. Nach einem erfrischenden Fußbad im glasklaren und angenehm kühlen Wasser des Flusses wechseln wir auf die andere Talseite. Der Aufstieg entlang des Berghanges ist ein wenig mühsamer, doch die Ausblick entschädigen mehr als genug. Beim Blick den Hang hinauf kündigen sich ein erstes Dorf an.
Am Rande eines Dorfes macht Sai uns auf zwei Stelzen-Häuser aufmerksam. Das sind Lagerhäuser, erzählt er. Die werden von der Dorfgemeinschaft gemeinsam gebaut, sind dann natürlich im Gemeinschaftsbesitz und können von allen Bewohnern genutzt werden. Die hohen Pfähle und die Metallbeschläge am oberen Ende verhindern, dass Mäuse, Ratten und anderes Getier hinaufklettern können.
Im nächsten Dorf kaum eine halbe Stunde weiter scheint es ein kleines Fest zu geben. Einige Männer und Frau sitzen rauchend und diskutierend beieinander. Wir trauen kaum unseren Augen, denn einige der Männer tragen die traditionelle Chin-Tracht – haben sich richtig in „Schale geschmissen“. Überhaupt hat sich dort eine ziemlich urige Runde zusammen gefunden.
Wir sind sprachlos vor Staunen – was für ein Zufall – welch ein Glück! Wir lassen uns erst einmal ganz in der Nähe an einem schattigen Platz nieder, um das Treiben ein wenig zu beobachten. Die Nachricht, dass Fremde gekommen sind spricht sich allerdings anscheinend schnell herum, denn die Runde wird immer größer.
Einer der netten Chin-Herren gesellt sich dann auch gleich zu uns. Langsam steigt die Stimmung. Auch der Selbstgebrannte fließt inzwischen in Strömen. Schließlich werden Sai und Uwe erst einmal mit dem traditionellen Chin-Kopfschmuck in die Runde der Chin-Krieger aufgenommen. Ein Holländer der gerade zusammen mit seiner Frau angekommen ist, weiß kaum wie ihm geschieht, denn auch er wird als Chin-Krieger ausstaffiert.
Bevor die Stimmung durch den Selbstgebrannten noch ausgelassener wird, ziehen wir uns lieber zurück und gehen weiter. Wir sind noch ganz benommen von der unerwarteten Begegnung, so dass wir uns nach einer Weile erst einmal in der schönen Natur niederlassen und unseren Mittags-Snack verzehren. Noch etwa zwei Stunden gemütliche Wegstrecke brauchen wir bis nach Pu Kun, wo wir heute übernachten wollen.
Am Wegesrand fallen uns die kunstvoll aufgestellten Steine auf. Das ist so etwas wie ein Gedenk-Friedhof zu Ehren der Verstorbenen des Dorfes, erklärt uns Sai. Dafür wird immer ein besonders schöner Platz ausgesucht mit schöner Aussicht oder an einem Weg, damit die Verstorbenen im Vorbeigehen noch Beachtung finden und nicht von den Dorfbewohnern vergessen werden.
Voller Eindrücke von diesem unglaublichen Tag kommen wir unserem Ziel langsam näher. Das Haus, in dem wir heute zu Gast sein werden, ist eines der besseren im Dorf. Holzhäuser mit Wellblechdach haben wir in den letzten Tagen außer in Kampalet kaum gesehen. Das eigene Wohnzimmer hat die Familie uns als Schlafraum abgegeben und stattet uns mit einem riesigen Berg an Decken aus, so dass wir uns gemütliche Schlafstätten herrichten können.
Unser Gepäck war inzwischen schon auf dem Motorrad hergebracht worden und steht in unserem Schlafraum. Wir haben am morgen nur das aller notwendigste zusammen gepackt, was wir für diese eine Übernachtung benötigen. Ein bißchen Sorge bereitet uns noch der weite Weg zur Toilette. In einer stillen Ecke im Garten gibt es ein kleines einfaches Toilettenhäuschen. Gottseidank leidet niemand von uns unter Blasenschwäche, denn bis dorthin ist es in dunkler Nacht ziemlich weit...
Die letzten Sonnenstrahlen des Tages genießen wir auf der kleinen Veranda und lassen das Dorfleben einfach nur noch an uns vorbei ziehen. Nach dem leckeren Abendessen, dass die Familie für uns bereitet hat, krabbeln wir einfach nur noch abgefüllt mit den vielen Eindrücken des Tages in unsere Schlafsäcke.
Mit dem ersten Morgenlicht erwacht das Leben im Haus. Da es Wasser nur draußen im Hof bzw. am Weg gibt, müssen heute für unsere Morgentoilette Frischtücher herhalten. Die wenigen Sachen, die wir für die eine Übernachtung mitgenommen haben sind anschließend schnell zusammen gepackt. Sie werden sofort auf dasselbe Motorrad geladen, mit dem sie gestern hierher gebracht worden sind.
Vor dem Frühstück haben wir noch ein wenig Zeit uns in der Umgebung umzuschauen. Dabei wird uns noch einmal mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt wie einfach das Leben hier ist – selbst in einem Haus, das zu den besseren im Dorf gehört.
Bis zu unserem Jeep liegt noch ein gutes Stück Weg vor uns. Wir müssen bis ganz hinunter ins Tal. Eigentlich war geplant, dass uns der Jeep auf der neuen Piste, die seit einiger Zeit bis hinauf zum Dorf führt, entgegen kommt. Aber während des letzten schweren Monsunregens ist die Brücke über den Fluss von den Fluten weggerissen worden und eine neue bisher noch nicht errichtet. Auch die Fußgängerbrücke war stark in Mitleidenschaft gezogen worden, aber die haben die Einheimischen wieder notdürftig repariert, um nicht ganz von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. Wir verabschieden uns schon früh von unseren netten Gastgebern und machen uns auf den Weg. Gut zwei Stunden benötigen wir im Eilschritt hinunter in’s Tal. Auch einige der Einheimischen, denen wir gestern begegnet sind, sind schon früh unterwegs.
Nach kurzer Fahrt von gerade einmal einer Stunden kommen wir in Mindat an, neben Kampalet die zweite bedeutende Kleinstadt im Chin-Staat. Von dem nahegelegenen Hügel hat man einen guten Ausblick über den Ort, der sich über einen lang gezogenen Bergrücken erstreckt.
Bei unserem kurzen Gang durch die Stadt steigt uns ein verführerischer Duft in die Nase. Es ist Mittagszeit und an diesem Duft führt jetzt wirklich kein Weg vorbei. Neugierig werfen wir einen Blick in die Küche des Restaurants und was wir sehen duftet nicht nur gut – es sieht auch sehr gut aus! Also suchen wir uns einen Platz und harren der Dinge, die dann kommen werden.
Mit dem Jeep und zu Fuß erkunden wir am Nachmittag noch einige Dörfer in der Umgebung. Hier begegnen wir zum ersten Mal einer Chin-Dame, deren Gesicht über und über mit einzelnen Punkten tätowiert ist ohne dass diese Punkte für uns ein erkennbares Muster ergeben. Sie erzählt uns, dass sie gehört habe, dass es weiter im Westen einige Chin-Damen geben soll, deren Punkte so dicht tätowiert worden sind, dass das Gesicht komplett schwarz ist.
Zurück in Mindat besuchen wir das Altersheim der katholischen Kirche. Hier leben zur Zeit 10 betagte Chin-Damen, die nicht mehr alleine leben können und leider auch keine Angehörigen mehr haben, die sich um sie kümmern. Sie haben das Glück hier eine Bleibe gefunden zu haben und sich in der Gemeinschaft mit den anderen alten Damen einigermaßen wohl zu fühlen.
Sai unterhält sich lange mit eine der katholischen Nonnen, die die Damen betreuen, um etwas mehr über das Projekt zu erfahren. Demnach lösen sich auch in Myanmar immer häufiger die Großfamilien auf, in denen bisher oft drei Generationen unter „einen Dach“ lebten. Die jungen Leute haben über Smartphones, die selbst in manchen abgelegenen Chin-Dörfern schon Einzug gehalten haben, Zugang zum Internet und damit zur „modernen“ großen weiten Welt. Die Werte von Familie und Tradition verlieren für sie mehr und mehr an Bedeutung oder gehen ganz verloren. Immer mehr junge Leute ziehen in die Stadt, um bessere Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten zu finden und kommen meistens nicht mehr zurück in ihre einfachen Dörfer.
Die alten Leute bleiben zurück und leben oftmals bis ins hohe Alter allein. Wenn das nicht mehr möglich ist können sie leider auch nicht immer von der Dorfgemeinschaft aufgefangen werden. Das Problem ist in den letzten Jahren immer immer größer geworden und dieses kleine Altersheim ist nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“.
Betroffen und berührt verlassen wir die alten Damen mit vielen guten Wünschen im Herzen. Wir ziehen uns heute mal etwas früher als sonst auf unsere sehr einfachen Zimmer mit Oasis Resort zurück, um noch ein wenig Ruhe zu genießen. Dadurch habe ich endlich mal wieder Gelegenheit mein Reisetagebuch zu vervollständigen und die Digitalbilder zu sichten und auszusortieren.
Nach einem frühen Frühstück im Hotel fahren wir nach Mindat zum örtlichen Markt. Es ist der größte Markt in der ganzen Umgebung und am frühen Morgen ist dort lt. Sai immer am meisten los.
Auf dem Markt geht es tatsächlich ziemlich lebhaft zu, so dass wir uns ziemlich lange hier aufgehalten.
Von Sai erfahren wir viel über die verschiedenen lokalen Delikatessen wie z.B. im Feuer gegartes Hühnchen, das in unseren Augen eher verkokelt ist. Ganz praktisch als Snack zum Mitnehmen ist in jungen Bambusstangen abgefüllter Klebreis. Gar gekocht läßt sich die Bambusstange vom Klebreis abschälen wie eine Banan. Natürlich haben wir das gerne auch mal probiert. Sehr schmackhaft dieser gewürzte Klebreis.
Etwas außerhalb von Mindat in einem kleinen ganz unscheinbaren Häuschen treffen wir eine ganz außergewöhnliche und fast schon berühmte Chin-Dame, Daw Yaw Hting. Im Internet hatte ich schon viele Bilder von ihr gesehen und viel über sie gelesen. Sie ist inzwischen schon fast eine Berühmtheit in Mindat und auch darüber hinaus. Mit den Jahren ist sie wahrscheinlich eine der am häufigsten fotografierten Chin-Damen. Ganz in traditioneller Chin-Tracht und mit traditionellem Chin-Schmuck läßt sie sich seit einigen Jahren gegen ein kleines Entgeld fotografieren.
Ihre „Karriere als Fotomodell“ war seinerzeit aus der Not heraus geboren, erzählt sie und Sai übersetzt. Es war sehr schwierig für sie, im Alter finanziell über die Runden zu kommen und so hat sie irgendwann angefangen, sich fotografieren zu lassen und damit etwas Geld für ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ganz stolz zeigt sie auf ihre großen bunten Ohrstecker. Die werden schon seit vielen Jahren nicht mehr hergestellt und es gibt kaum noch welche, sie ist noch eine der wenigen Chin-Damen, die diese Schmuckstücke noch besitzt und sie auch trägt.
Schon im Alter von 15 hat sie gelernt die traditionelle Nasenflöte zu spielen und sie beherrscht es noch heute. Viel Puste und Ausdauer braucht man dazu. Ganz froh und dankbar ist sie dafür, das sie das in ihrem Alter immer noch kann. Inzwischen muß sie um die 90 Jahre alt sein – so ganz genau kennt sie ihr Alter selbst nicht. Ihre Augen glänzen und sprühen vor Energie als sie uns eine Kostprobe ihres Nasenflötenspiels gibt.
Andächtig nimmt sie ihre alte Wasserpfeife zur Hand und einen tiefen Zug. Eigentlich hat der Arzt ihr das Rauchen ja verboten, erzählt Sai, aber so ganz mag sie auf den Genuss nicht verzichten und schaut verschmitzt. Auch dabei läßt sie sich gerne fotografieren und nimmt es ein bißchen als Ehre noch so viel Aufmerksamkeit und Interesse zu finden. Fotografen aus der ganzen Welt seien schon hier gewesen und hätten sie fotografiert, sagt sie mit einem gewissen Stolz und gleichzeitig in natürlicher Bescheidenheit. Eine ganz außergewöhnlich alte Dame mit einer ganz besonderen Ausstrahlung.
Sie bittet uns in ihr bescheidenes Haus und auch dort dürfen wir Fotos von ihr und ihrer gleichaltrigen Freundin machen, die seit einiger Zeit hier zusammen mit ihr lebt. Oft lassen die beiden sich gemeinsam fotografieren.
Was für eine beeindruckende Begegnung! Hauptsächlich sind es solche Erlebnisse, die für mich das Reisen und das Leben immer wieder bereichern – auch jetzt noch, wenn ich Euch davon erzähle.
Die Zeit ist wie im Flug vergangen und nach dieser beeindruckenden Begegnung hatten wir wenig Lust noch von Dorf zu Dorf zu laufen oder zu fahren. Da meinte Sai, er hätte noch etwas ganz besonderes für uns.
In einem der Dörfer in der Nähe fahren wir zu einem kleinen privaten Museum. Der Gründer hat in vielen Jahren mit großer Leidenschaft traditionelle Kunstgegenstände, Schmuck, Waffen, Jagdtrophäen und vieles mehr von den verschiedenen Chin-Stämmen zusammen getragen. Was auch immer er an antiken und traditionellen Gegenständen finden konnte, er hat es gesammelt und bewahrt es liebevoll in den Räumlichkeiten seines Hauses auf. Das platzt allerdings inzwischen aus allen Nähten und er weiß kaum noch wohin mit den vielen schönen Dingen.
Es ist ihm ein ganz großes Anliegen, all die vielen traditionellen Kulturgüter der verschiedenen Chin-Stämme zu bewahren, die in unserer heutigen modernen und schnelllebigen Zeit immer mehr verloren gehen. Er freut sich über jeden Interessenten, der vorbei schaut und zeigt seine Sammlung mit viel Begeisterung. Jeder Gegenstand hat seine eigene kleine Geschhichte und davon weiß er viele zu erzählen. Leider weiß er kaum noch neue Exponate unterzubringen und so überlegt er noch anzubauen.
Das Fotografieren erlaubt er uns gerne – aber bitte ohne Blitzlicht. Das macht es allerdings relativ schwierig, denn wegen eines Stromausfalls gibt es in dem Raum nur wenig Licht.
Nach einem frühen Abendessen im Restaurant in Mindat fahren wir zurück zum Hotel und lassen den Tag gemütlich ausklingen und packen schon mal zusammen für unsere morgige Weiterfahrt nach Bagan.
Nach den vielen erlebnisreichen Tagen werden wir das beeindruckende Volk der Chin und die landschaftlich so schönen Chin-Berge heute viel zu schnell schon wieder hinter uns lassen. Einige schöne Ausblicke über die Chin-Berge begleiten uns noch ein Stückweit auf unserem Weg.
Uwe entdeckt die Männer mit ihren Gewehren und das Motorrad mit seiner ungewöhnlichen Fracht als erstes am Straßenrand. Wie aus einem Mund kommt unser Ruf „Stoooppp“!. Da können wir nicht einfach nur so dran vorbei fahren. Die Männer sind sichtlich stolz auf ihre frühmorgentliche Jagdbeute. Das riesige Wildschwein haben sie inzwischen zerlegt und untereinander aufgeteilt. Mindestens ebenso stolz präsentieren sie uns ihre vorsintflutlich anmutenden Jagdgewehre.
Mein Gewehr habe ich von meinem Vater bekommen, erzählt einer der Männer - und der hat es von seinem Vater – und der von seinem…irgendwo in der langen Ahnenkette kommt dann ein Engländer aus der Kolonialzeit zutage. Dabei fuchtelt er ziemlich furchterregend mit dem riesigen Teil herum.
Auf unsere Bitte hin fragt Sai ihn, ob er uns den Gebrauch seines Gewehres einmal zeigen würde. Er zögert nicht einen Moment, lädt es nacheinander mit Pulver und einer Kugel und feuert es schließlich todesmutig ab. Es tut einen unglaublich lauten Knall und der arme Mann wird fast aus den Schuhen geworfen bei dem Rückstoß.
Ein Erinnerungsfoto muß da natürlich unbedingt her und ganz flugs stehen alle mit Stolz geschwellter Brust in Reih und Glied. Als wir uns verabschieden drückt einer von Ihnen Sai ein großes Stück Fleisch in die Hand – das sei ein Geschenk von ihnen allen für uns. Das ist uns jetzt fast unangenehm, denn eigentlich möchten wir es gar nicht annehmen. Wer weiß, wieviele hungrige „Mäuler“ die Männer zuhause zu stopfen haben, aber Sai meint, dass wir das auf keinen Fall ablehnen können, ohne sie zu beleidigen – und das möchten wir natürlich auf keinen Fall. Bei der Abfahrt winken wir ihnen noch lange zu – sehr beeindruckt von der Freundlichkeit dieser Männer und der schönen Begegnung. Auf jeden Fall wissen wir jetzt schon, was es heute Abend zu essen gibt…
Die Chin-Berge lassen wir jetzt ziemlich schnell hinter uns und gelangen in das zentrale Tiefland von Myanmar. Hier ist teilweise die Ernte noch in vollem Gange. Nachdem wir einen kleinen Fluß überquert haben machen wir Halt an einem kleinen Straßenbazar, um uns ein wenig die Füsse zu vertreten und vielleicht noch ein paar Früchte einzukaufen.
Hier sehen wir zum ersten Mal während unserer jetzigen Tour große Mengen von Tanaka-Rinde, aus der die in Myanmar so beliebte Tanaka-Paste hergestellt wird. Burmesische Mädchen und Frauen streichen sich die Paste als eine Art natürliches Make-Up ins Gesicht. Sie soll vor UV-Strahlung schützen und eine kühlende Wirkung haben.
Aber der burmesischen Wunder-Kosmetik werden noch mehr gute Eigenschaften nachgesagt. So soll der Inhaltsstoff Kumarin gegen unreine Haut wirken und sogar Hautalterung vorbeugen. Außerdem verströhmt die Paste einen angenehmen Geruch. Angeblich soll sie auch gegen Husten und Erkältung wirken.
Gewonnen wird die Tanaka-Rinde aus ganz speziellen Baumarten wie z.B. dem indischen Holzapfelbaum oder dem Murraya-Baum, die mindestens 35 Jahre alt sein müssen. Sonst ist das Holz nicht hart genug, um ein gutes Kosmetikpulver daraus zu gewinnen. Die Tanaka-Rinde wird auf einer flachen Steinplatte gerieben, so dass ein feines Pulver entsteht, das dann mit Wasser vermischt und ins Gesicht gestrichen wird.
Nach etwa 200 Kilometern und knapp 6 Stunden Fahrzeit kommen wir am Nachmittag in Bagan an. Wir beziehen zuerst unser Hotel, das Su Tine San Palacee Hotel. Ein Palast ist es zwar nicht gerade, aber ein wirklich gutes 3*-Hotel. Es hat sogar einen Swimmingpool, für den wir aber mit ziemlicher Sicherheit keine Zeit haben werden.
Eigentlich wollten wir nach der langen Fahrt noch etwas ausspannen, aber so richtig zur Ruhe kommen wir nicht. Zwar waren wir alle schon mal in Bagan, aber es zieht uns trotzdem ziemlich schnell wieder auf Entdeckungstour. Dafür brauchen wir gar nicht weit laufen – schon vom Dach unseres Hotels bietet sich ein toller Blick über die unzähligen Tempel und Pagoden von Bagan. Über 4.000 davon soll es hier geben.
Nachdem wir uns auf dem Dach reichlich satt gesehen und schöne Fotos gemacht haben wartet Sai auch schon auf uns in der Lobby. Er schlägt uns den Besuch des Htilominlo Tempels vor. Unglaublich, dass dieses gewaltige Bauwerk aus gebrannten Ziegelsteinen schon um 1218 erbaut wurde. Die altehrwürdigen Mauern versetzen uns in andächtiges Staunen und tiefe Bewunderung.
Den Sonnenuntergang wollen wir von einem der vier Tempel genießen, auf die Touristen hinauf steigen dürfen. Leider habe ich mir den Namen „unseres“ Tempels nicht gemerkt, aber er ist ganz in der Nähe des Htilominlo Tempels. Nach den fast zwei Wochen, in denen wir unterwegs so gut wie keine Touristen gesehen haben, hat uns der Andrang auf der Pagode erst mal ein wenig überfordert. In dem Gedrängel um den besten Platz für ein gutes Foto konnte die richtig große Begeisterung für die schöne Stimmung nicht so recht aufkommen.
Trotzdem war der Sonnenuntergang traumhaft schön und an einem solchen Ort immer etwas ganz besonderes. Wenn es an einem Ort so schön ist und dieser Ort noch dazu so gut erreichbar ist, dann ist man heutzutage dort nur noch ganz selten alleine.
Noch fast zu nachtschlafender Zeit stehen wir auf. Schon von Zuhause haben wir eine Ballonfahrt über Bagan gebucht. Die ist inzwischen so gefragt, dass man in der Hauptsaison sonst kaum eine Chance hat, einen Platz zu bekommen. Um fünf Uhr werden wir von einem urtümlichen schon fast antik anmutenden Bus abgeholt und zum Startplatz der Ballons gebracht. Die Vorbereitungen sind schon in vollem Gange.
Es ist unglaublich, wieviele Ballons an den Start gehen. Vor kurzem sind die Bestimmungen für die Ballonfahrten geändert worden. Es muß jetzt ein größerer Abstand zu den Tempeln eingehalten und etwas südlicher gefahren werden, so dass man die größten und bedeutendsten wie z.B. den Ananda Tempel auf der Ballonfahrt leider nicht mehr sehen kann. Nach offiziellen Angaben soll dies dem Schutz der Tempel dienen.
Immer mehr Ballons richten sich langsam auf – was für ein schöner Anblick. Plötzlich fallen allerdings die ersten Ballons wieder in sich zusammen – was ist los? Wir schauen uns überrascht an – dann kommt auch schon die Information: Der Flughafen-Tower und die Wetterwacht haben mitgeteilt, dass wir heute aufgrund von starken Winden und Turbulenzen in den höheren Luftschichten nicht starten können. Die Enttäuschung ist riesengroß! Wir haben sogleich versucht, uns für die morgige Ballonfahrt wieder registrieren zu lassen, aber es sieht ziemlich düster aus, denn es sind nur noch wenige Plätze frei. Also geht es erstmal zurück zum Hotel. Als Sai von unserem Pech hört, nimmt er sogleich sein Handy ans Ohr. Ich habe einen guten Bekannten, erzählt er dann, der arbeitet im Büro bei „Ballons over Bagan“ – vielleicht kann der ja was machen. Ein Hoffnungsschimmer, der unsere Stimmung wieder ein bißchen hebt.
Sai schlägt uns vor, heute einmal „Bagan ohne Tempel“ zu erleben – ob wir Lust hätten – ja, klar. Wir machen uns auf den Weg zu einem Dorf etwas außerhalb von Bagan – näheres hat er uns noch nicht verraten. Unterwegs kaufen wir bei zwei netten burmesischen Damen noch einige Bananen als Snack für unterwegs. Ein Stück weiter bleiben uns noch einige Palmzucker-Bonbons „an den Fingern“ hängen – das kann man ziemlich wörtlich nehmen, denn die sind mindestens so klebrig wie lecker. Von der Palmsaft-Gewinnung bis zu den fertigen Bonbons kann man hier die gesamte Herstellung Schritt für Schritt beobachten. Dabei sind die Einheimischen sehr freundlich und absolut unaufdringlich, so dass man nicht das Gefühl hat, in einer Touri-Verkaufsveranstaltung gelandet zu sein.
Auf unserer weiteren Fahrt biegen wir irgendwann von der Hauptstraße auf eine sandige Schotterpiste ab. Es geht durch eine idyllische Landschaft. Es wird immer ländlicher und auch immer einsamer.
Am Ende der Piste liegt zwischen Palmenhainen und Wiesen ein verstecktes Dorf - Set Set Yo. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Was für ein krasser Unterschied zum inzwischen recht touristischen Bagan…
Die Einheimischen schauen neugierig, wer denn da in ihr Dorf kommt, obwohl wir bestimmt nicht die ersten sind. Inzwischen findet man dieses Dorf ja sogar schon bei einigen deutschen Veranstaltern, die auch etwas abseits der üblichen Pfade unterwegs sind, im Reiseprogramm.
Eine Besonderheit sind die Frisuren der Kinder. Von den Jungen und Mädchen tragen die meisten einen Haarknoten, der durch einen kreisrund geschnittenen Pony abgerundet wird. Das entspricht einer alten Tradition, die aus dem 18. Jahrhundert aus der damaligen Bagan-Dynastie herrührt. Yaung Pay Suu wurde diese Haartracht genannt und von allen Kindern im alten Burma bis zur Kolonialzeit getragen. Heute ist Set Set Yo das einzige Dorf in Myanmar, das diese Tradition noch aufrecht erhält – nicht zuletzt motiviert durch den Hauptmönch des Klosters.
Die Dorfbewohner sehen in ihm so eine Art Dorfoberhaupt. Er wird viel um Rat gefragt und so ganz oft in wichtige Entscheidungen mit einbezogen. Ihm übergeben wir auch einige kleine Geschenke für die Kinder. Wir haben Bleistifte, Farbstifte, Schreibblöckchen, kleine Kämme und Haarbürsten dabei, die er gerecht unter den Kindern aufteilen wird. Auch eine kleine Spende für das Dorfkloster lassen wir gerne zurück.
Wir trauen unseren Augen kaum, aber in diesem abgelegenen Dorf gibt es sogar einen Dorfladen und der scheint sogar ganz gut sortiert zu sein. Sai kommt – wie immer und überall – auch mit der Inhaberin ganz schnell ins Gespräch und erfährt viel interessantes über ihren Laden und das Dorf. Viele Dinge macht sie selbst – wie z.B. Chilli-Pulver und andere Gewürz-Zubereitungen. Oft kocht sie auch leckere Gerichte und die Nachbarn kommen für „kleines Geld“ zum Essen zu ihr.
Schließlich machen wir uns langsam auf den Rückweg. Der Abschied fällt uns nicht leicht, denn wir sind sehr berührt von der natürlichen Freundlichkeit der Menschen hier im Dorf. Nahezu an jedem Haus, an dem wir vorbei gehen werden wir zum Tee eingeladen. Die ersten Einladungen haben wir gerne angenommen und jedes Mal ebenso gerne einen kleines Geschenk oder einen kleinen Obulus für die Familienkasse zurück gelassen. Aber inzwischen sind wir ziemlich „abgefüllt“…
Auf der Rückfahrt nach Bagan kommen wir wieder in den Bereich des Handy-Funknetztes. Sais Bekannter hat ihn leider nicht erreicht und eine Nachricht geschickt – er hat es geschafft!!!! Wir haben drei Plätze für die Ballonfahrt bekommen. Wir sind außer uns vor Freude und brechen in lautes Gejubel aus!!!
In Bagan wollen wir uns noch einen der schönsten, ältesten und am meisten verehrten Tempel anschauen, den Ananda Tempel. Er stammt aus dem 11. Jahrhundert und wurde unter dem dritten König von Bagan erbaut. Stattliche 52 m ist hoch und hat eine Seitenlänge von 88 m und soll ein Symbol für Buddhas unendliches Wissen sein. In seiner Art – mit den weißen Grundmauern und der goldenen Pagode – ist er einzigartig in Bagan oder sogar ganz Myanmar.
Bei einem solch prächtigen Tempel kann ich mich der Ehrfurcht für diese alten Gemäuer nicht entziehen. Langsam und andächtig gehen wir hinein, umrunden den Tempel auf dem inneren Rundgang und bestaunen die gigantischen Buddha-Statuen, die in die vier Himmelsrichtungen schauen.
Den Abend lassen wir bei einem schönen Sonnenuntergang ausklingen. Da wir ein bißchen dem Rummel auf den Pagoden entgehen möchten gehen wir zum Ufer des Irrawaddy.
Heute morgen klappt es - wir dürfen endlich in die Luft gehen! Die Vorfreude auf unsere Ballonfahrt über Bagan ist riesig und die Erwartungen auch.
Der Morgennebel hüllt Landschaft und Tempel in eine mystische Stimmung.
Die Landung ist dann noch einmal eine Herausforderung für die Ballonfahrer und die Helfer am Boden.
Was für ein tolles Erlebnis. Sollte ich in meinem Leben noch einmal nach Bagan komme - und davon gehe ich ganz fest aus, würde ich eine solche Ballonfahrt jederzeit wieder machen. Mit den herrlichen Bildern im Kopf geht es zurück zum Hotel, kurzes Frühstück und dann ab zum Flughafen. Ein kurzer Flug bringt uns zurück nach Yangon, wo wir vor gerade einmal zwei Wochen aufgebrochen sind. Es ist unglaublich, wieviel wir seitdem erlebt und gesehen haben – wir sind „randvoll“ mit Eindrücken und haben das Gefühl, dass wir schon viel länger unterwegs sind.
In Yangon ist unser einziges heutiges Ziel die Shwedagon Pagode. Dreimal war ich in Myanmar – dreimal habe ich sie besucht – jetzt zum vierten Mal – und es wird bestimmt nicht das letzte Mal sein. Für den Aufstieg auf den Singuttara-Hügel hoch über Yangon und zur Plattform, auf der die Shwedagon Pagode thront, nehmen wir den prunkvollen Südaufgang, der von zwei riesigen Löwen bewacht wird.
Als ich 2002 das erste Mal in Myanmar war und die Shwedagon Pagode gesehen habe, hat mich die Pracht und die unglaubliche Atmosphäre überwältigt. Auf meinen zahlreichen Reisen habe ich schon viele wirklich beeindruckende Orte gesehen, aber nichts ist für mich damit vergleichbar. Selbst das Taj Mahal in Indien hat mich nicht so beeindruckt wie die Shwedagon Pagode. Sie ist ja nicht nur einfach eine riesengroße goldstrahlende Pagode – sondern umgeben von einer ganzen Tempelstadt, die diese einzigartige Atmosphäre ausmacht.
82 Tempel, die meistens noch zusätzlich von einer prächtigen Pagode gekrönt sind, umgeben die fast 100 m hohe Schwedagon. Die soll mit mehr Gold geschmückt sein, als in der Bank von England lagert. Die Liste der Highlights läßt sich beliebig fortschreiben, aber all das kann das wunderbare Kleinod nicht annähernd beschreiben.
Pilger sitzen betend auf dem Boden oder umrunden andächtig die heiligen Stätten, der Duft von Räucherstäbchen liegt in der Luft. Wir gehen langsam mit dem Strom der Pilger und lassen uns gefangen nehmen von dieser einmaligen Atmosphäre.
Später taucht die tief stehende Abendsonne alles in ein bezauberndes Licht bis die abendliche Beleuchtung dafür sorgt, dass die Shwedagon über allem strahlt.
Ein Tag ganz ohne vorgplantes Programm – außer dem Programm, dass wir uns selber machen!
Allerdings steht schon einiges auf unserer To-do-Liste. Das wichtigste wollen wir zuerst erledigen! Wir müssen einen Foto-Shop finden – das ist heutzutage in Yangon gottseidank kein Problem! Zwei Straßenecken weiter werden wir schon fündig. Die Bilder von all den netten fotografierten Menschen von unterwegs haben wir bereits auf einen USB-Stick kopiert, um davon Abzüge machen zu lassen. Ab Mittag können wir die dann auch schon abholen.
Ansonsten lassen wir uns einfach erst mal durch die Gassen treiben. Welche Straße uns auch immer interressant erscheint – wir gehen dort lang. Touristen treffen wir überraschenderweise so gut wie überhaupt nicht, obwohl der Dezember ja eigentlich eine hervorragende Reisezeit ist.
Ein Eis wäre jetzt lecker! Aber an irgendeinem Straßenstand trauen wir uns das nicht. Da meint Helga, „Laßt uns doch zum Strand Hotel gehen. Auf unserer allerersten Myanmar-Reise sind wir im Strand Hotel abgestiegen – es war damals das einzige Hotel in Yangon, das Touristen beherbergen durfte. Wäre doch toll, da noch mal hinzugehen…“. Gesagt – getan – es ist auch gar nicht weit und schnell gefunden. Heute ist es allerdings ein 5*-Luxushotel, aber ein Eis wird unser Budget hoffentlich noch hergeben… und so schwelgen Helga und Uwe in nostalgischen Erinnerungen während wir uns das Eis schmecken lassen.
Inzwischen naht die Mittagszeit und die Straßen von Yangon scheinen sich in ein einziges riesiges Freiluft-Restaurant verwandelt zu haben. Köstliche Gerüche erfüllen die Luft und verlocken zu einem Snack oder sogar zu einem oppulenten Mittagessen an einem der unzähligen Straßen-Restaurants. Diese cross gebratenen Enten sehen einfach nur zum Anbeißen aus.
Das Viertel rund um die Sule Pagode ist ein einziger riesengroßer Bazar. Geschäft reiht sich an Geschäft und entlang der Bürgersteige stehen mobile Straßenstände dicht an dicht. Alles, was man dort nicht kaufen kann bietet mit Sicherheit einer der unzähligen „fliegende“ Händler an. Stundenlang stromern wir durch die Straßen und Gassen. Gottseidank hat Uwe einen guten Orientierungssinn.
Nur eine Straßenecke von unserem Hotel, dem Centra. Hotel, entfernt haben wir im Vorbeigehen ein indisches Restaurant gesehen, das einen sehr vielversprechenden Eindruck macht. Der erste Eindruck hat uns nicht getäuscht – es ist einfach nur köstlich!
Unser letzter Tag in Yangon und in Myanmar. Heute Abend geht unser Flug zurück nach Deutschland. Die Zeit bis dahin wollen wir noch nutzen und mit der Ringbahn, dem Circular Train, ein Stück rund um Yangon fahren. Wir werden nicht die gesamte Strecke einmal ganz herum fahren, was gut drei Stunden und 37 Stationen lang dauert, sondern nur ein Teilstück. Lieber wollen wir zwischendurch an der einen oder anderen Station aussteigen und die Umgebung und das „Yangon der Yangoner“ abseits der Touristenpfade ein wenig erkunden. Sai wird uns begleiten, denn er kennt die gesamte Strecke und auch alles, was es rund um die verschiedenen Haltestationen zu entdecken gibt.
Vom Hotel aus brauchen wir zu Fuß gerade einmal fünfzehn Minuten bis zur Yangon Central Railway Station. Flugs sind die Tickets in der kleinen Bude auf Gleis sieben für wenige Kyatt gekauft und dann tuckert der Zug auch schon ein.
Es ist eine beschauliche Fahrt. Mehr als 20 km/h werden nicht erreicht, denn die Häuser stehen teilweise dicht an den Gleisen. Die wiederum sind viel zu marode und lassen eine höhere Geschwindigkeit nicht mehr zu. Dafür hält der Zug an den Bahnhöfen umso kürzer – Passagiere springen flugs auf und ab – trotzdem geht es ruhig und entspannt zu. Viele Bahnhöfe stammen noch aus der britischen Kolonialzeit und scheinen sich seitdem kaum verändert zu haben.
Für all das interessante um uns herum haben wir allerdings plötzlich keine Augen mehr. Unsere Aufmerksamkeit gilt einem „fliegenden“ Händler, der soeben unser Abteil betritt und direkt neben Helga Platz nimmt. Er ist über und über tätowiert. Helga erkennt sofort, dass das teilweise noch ganz traditionelle Tätowierungen sind. Sie ist fast außer sich vor Freude und Überraschung, denn während der ganzen Reise hatte sie scchon nach tätowierten Männern Ausschau gehalten, aber wir hatten keinen einzigen getroffen. Was für ein unglaublicher Zufall, dass uns dieser Mann hier im Zug an unserem lezten Tag kurz vor unserer Heimreise begegnet.
Sai wusste von unterwegs über Helgas Interesse an traditionellen Stammes-Tätowierungen und nimmt sofort erst einmal ganz unverfänglich Kontakt zu ihm auf – schaut in seinem Verkaufskorb nach, ob er etwas passendes findet – kauft einige Süssigkeiten. Auch wir schauen und kaufen einige Süssigkeiten. Sai unterhält sich mit ihm und erzählt ihm bei der Gelegenheit auch gleich von unserer Begeisterung für seine Tätowierungen. Das scheint ihm ziemich zu schmeicheln, denn ganz ungeniert lupft er seinen Longi und zeigt uns stolz seine Beine. Klar, dürfen wir ihn fotografieren, sagt er auf Sais Frage, und das lassen wir uns bestimmt nicht zweimal sagen.
Auf dem Rücken habe ich noch mehr Tätowierungen, übersetzt uns Sai. Kaum haben wir die Worte vernommen zieht er auch schon ziemlich ungeniert sein T-Shirt aus und präsentiert uns stolz seinen Rücken…was mögen nur die anderen Fahrgäste gedacht haben, die dem ganzen Treiben ziemlich erstaunt und neugierig zugeschaut haben. Ganz geduldig ließ uns der Mann seine Tätowierungen fotografieren. Nach einer ganzen Weile meinte er aber dann doch, das er jetzt man wieder weitergehen müßte, damit er vielleicht in den anderen Abteilen noch etwas verkaufen kann. Flugs zog er sein T-Shirt über den Kopf und weg war er wieder…was für eine Begegnung!
Ganz amüsant finden wir auch das Verbotsschild, das in allen Waggons zu finden ist. Neben dem Rauchen und dem Müll wegwerfen ist auch das Küssen im Zug verboten. Hätte ein Ordnungshüter die Szene gerade beobachtet würde es wohlmöglich bald ein Verbot geben, dass das Entblößen des Oberkörpers nicht erlaubt ist...
An eine der nächsten Haltestellen verlassen wir den Zug und stromern etwas durch die Gasen in der Umgebung.
Ganz in der Nähe ist der Großmarkt, den wir von hier aus bequem zu Fuß erreichen können. Also machen wir uns auf den Weg.
Am lebhaftesten geht es auf der Abteilung des Blumenmarktes zu.
Nach dem Einkauf geht die Fahrt mit dem Sammeltaxi nach Hause.
Auf dem Rückweg zum Hotel haben wir Gelegenheit einen letzten Blick auf den Karaweik Palace zu werfen, der heutzutage ein schickes Restaurant beherberg und von weitem noch einmal auf die Schwedagon Pagode.
Dann heißt es Abschied nehmen von einem der faszinierendsten Ländern in Südostasien, denn in wenigen Stunden geht unser Rückflug nach Deutschland. Wir haben eine unglaublich interessante Zeit hier verbracht und viele bewegende Momente erlebt mit unglaublich freundlichen Menschen, die wir nie vergessen werden.
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