Nach dem schweren Erdbeben in Nepal Ende April 2015 und den widersprüchlichen Informationen in der Presse und von den Freunden in Nepal entschließe ich mich sechs Wochen später selbst nach Nepal zu reisen, um mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen….
Nepal war 1991 mein erstes Reiseziel in Asien. Damals hatte ich mich sogleich in dieses wunderbare Land verliebt. Die grandiosen Eisriesen des Himalaya, die vielen interessanten Kulturstätten und die unvergleichlich netten Menschen haben mich in den folgenden Jahren immer wieder nach Nepal gelockt. Die leidvollen Bilder in der Presse haben mich deshalb umso mehr erschüttert. Gottseidank war den Freunden in Nepal und deren Familien nichts geschehen. Auch deren Zuhause war weitgehend unbeschädigt geblieben.
Auch in unserem Reiseveranstalterbüro von Auf und Davon Reisen waren wir alle erschüttert und so hatten wir unter unseren Kunden zu einer Spendenaktion aufgerufen. Die große Hilfsbereitschaft berührte uns sehr. Es waren über 13.000 Euro zusammen gekommen. Die Hälfte davon floss direkt in Hilfsprojekte, deren Initiatoren wir selbst persönlich und gut kannten. Die andere Hälfte nehme ich selbst mit auf die Reise, um diese vor Ort für Hilfsprojekte sinnvoll einzusetzen und den Einsatz auch teilweise selbst zu begleiten.
Die Flüge mit Air India von Frankfurt über Delhi nach Kathmandu sind schnell gebucht und nach kurzer Vorbereitungszeit bin ich auch schon unterwegs. So ungeduldig habe ich selten auf meine Ankunft gewartet. Die grausigen Bilder in der Presse über die Zerstörungen in Kathmandu und im restlichen Nepal geistern durch meinen Kopf. Sie erwecken den Eindruck, dass halb Kathmandu vom Erdbeben zerstört wurde und darnieder liegt. Dagegen hatten die Freunde die Situation nicht annähernd so dramatisch beschrieben.
Nach dem Umsteigen in Delhi dauert der Weiterflug noch knapp zwei Stunden – ein ziemlich turbulenter Flug durch die hoch aufgetürmten Monsunwolken, die jetzt im späten Juni schon unterwegs sind. Hinter diesen Wolken versteckte sich der Himalaya, den man normalerweise während der letzten halben Stunde des Fluges wunderbar sehen kann. Nur ab zu ließ sich ein kurzer Blick auf einen der Eisriesen erhaschen
Pünktlich landen wir in Kathmandu. Die Einreise mit dem „Visa upon arrival“ ist schnell erledigt. Die Freunde warten schon vor dem Flughafen, um mich abzuholen und zum Hotel zu bringen. Ram und Shyam hatten mich zwar eingeladen, bei ihnen Zuhause zu wohnen, aber da ich viele Erledigungen machen und viele Treffen arrangieren musste, war ein Hotel in der Innenstadt praktischer.
Die erste Fahrt erleichtert mich ein wenig – es gibt nahezu keine sichtbaren Erdbebenschäden auf der Strecke vom Flughafen in die Innenstadt. Auch im Thamel, dem Touristenviertel von Kathmandu, gibt es kaum Spuren des Erdbebens. Einige ganz wenige Häuser sehe ich unterwegs und im Thamel, die zusammengebrochen oder stark beschädigt waren.
So setzen mich die beiden im Nirwana Garden Hotel ab, in dem ich schon seit Jahren wohne, wenn ich in Kathmandu bin. Es ist zwar inzwischen ein wenig „in die Jahre gekommen“ und die Zimmer könnten teilweise mal eine Renovierung gebrauchen, aber die Lage ist einfach unschlagbar. Mitten im geschäftigen Treiben des Thamel liegt es am Ende einer Sackgasse recht ruhig. Unschlagbar ist auch der schöne große Garten, die Dachterassen und das Samsara Restaurant mit ganz hervorragender nepalesischer Küche bietet.
Nach einer kurzen Ruhepause im Hotel bin sogleich zu einem ersten Rundgang durch den Thamel unterwegs. Bei der Gelegenheit schaue ich auch gleich im Büro von Ram vorbei, das ganz in der Nähe vom Hotel liegt. Er hat eine nepalesische Prepaid Telefonkarte für mich besorgt. Zurück im Hotel führe ich auch gleich die ersten Telefonate damit und treffe erste Verabredungen für den nächsten Tag.
Schon früh gegen acht Uhr kommt Shyam vorbei. Gemeinsam haben wir eine Rundfahrt geplant zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten und Kulturstätten in und um Kathmandu, damit ich mir einen Eindruck verschaffen kann, welche Spuren das Erdbeben hinterlassen hat. Wann immer ich in der Vergangenheit in Kathmandu war und es meine Zeit erlaubt hat, gehören Pashupathinath, Bodnath und Swayambunath zu meinen ganz persönlichen Pilgerzielen, die ich immer wieder besucht habe. So soll es auch heute sein.
Pashupathinath, die heilige Totenverbrennungsstätte…
…ist unser erstes Ziel. Die UNESCO Weltkulturerbestätte ist neben Varanasi am Ganges in Indien die heiligste Totenverbrennungsstätte in der hinduistischen Welt. Sie liegt etwas außerhalb von Kathmandu in der Nähe des Flughafens am heiligen Bagmati-Fluss, der in den Ganges fließt. Der Shiva-Tempel von Pashupathinath geht auf das 5. Jhd. zurück und ist jedes Jahr Ziel von Tausenden von Pilgern. Wir als Nicht-Hindus dürfen ihn jedoch leider nicht betreten. Den schönsten Blick auf den Tempel und das Geschehen am heiligen Fluss haben wir vom gegenüberliegenden Ufer des Bagmati-Flusses. Gottseidank hat das Erdbeben den Tempel und die Nebengebäude von Pashupathinath weitgehend unversehrt gelassen bis auf einige Risse in den Wänden.
Die Bodnath Stupa…
…ist das wichtigste buddhistische Heiligtum in Nepal und gleichzeitig das Wahrzeichen von Kathmandu. Seit 1979 ist die Stupa eine der sieben UNESCO Weltkulturerbestätten in Nepal und gehört zu den meist besuchtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt. In etwa 8 km Entfernung vom Thamel ragt sie stolze 36 m empor und machen sie zu einem der größten Bauwerke dieser Art in der Welt. Viele Tibeter haben sich hier niedergelassen und so sind im Laufe der Zeit mehr wie 50 Klöster in der Umgebung entstanden.
Die mystische und spirituelle Atmosphäre zieht jeden in ihren Bann und machen den Ort zu etwas ganz Besonderen. Diese Atmosphäre wird auch nicht durch die vielen Geschäfte und Restaurants entlang des Pilgerweges um die Stupa beeinträchtigt, denn während außerhalb das laute und brodelnde Leben tobt herrscht hier eine wohltuende Ruhe – eben ein ganz besonderer Ort. Gotteidank hat die große Stupa beim Erdbeben keinen Schaden genommen. Lediglich einer der kleinen Chorten, die große Stupa umgeben, ist zusammen gefallen. Der wird mit Sicherheit ziemlich schnell von den Tibetern wieder aufgebaut werden.
Dem Dubar Square von Pathan…
…gilt mein nächster Besuch. Gottseidank sind auch hier die meiten der wichtigsten Tempel unbeschädigt geblieben. Allerdings wurden zwei Tempel total zerstört, die Trümmer waren aber inzwischen schon weggeräumt. Zwei weitere Tempel wurden beschädigt – an der Wiederherstellung wird bereits intensiv gearbeitet. Einige Tempel sind mit Balken abgestürzt, weil Risse möglicherweise zum Einsturz führen könnten, solange noch keine Restaurierungsmaßnahmen durchgeführt sind.
Auch die Türme des Königspalastes sind beschädigt und wurden notdürftig mit Planen abgedichtet, um sie vor den schlimmsten Monsun-Regenfälle zu schützen. Insgesamt hat es den Dubar Square in Pathan etwas heftiger getroffen, aber alles in allem ist der Blick über den wunderbaren Dubar Square immer noch sehr beeindruckend. Die Schäden werden sicher in den nächsten ein bis zwei Jahrn behoben und die abgestützten Tempel restauriert sein.
Von den zerstörten Tempel hatte man noch viele wunderbare Holzschnitzereien retten können, die nun darauf warteten wieder verbaut zu werden:
Der Hiranya Varna Mahavihar Tempel, auch der Goldene Tempel genannt,...
gilt als eine der schönsten Tempel von Pathan oder sogar des ganzen Kathmandu-Tales. Er steht ganz unscheinbar in einer Seitengasse in der Nähe des Dubar Square. Ihm hat das Erdbeben gottseidank auch keinen Schaden zugefügt. Hier vermischen sich Hinduismus und Newar Buddhismus.
Im Gegensatz zu den meistens für Nicht-Hindus verschlossenen Tempel wird man hier als Andersgläubiger von den buddhistischen Mönchen immer freundlich zum Miterleben eingeladen.
Swayambunath, die weitere große Stupa im Kathmandu-Tal…
liegt auf einem Hügel hoch über der Stadt und ist ebenfalls UNESCO Weltkulturerbestätte. Der Ausblick von hier oben über das Kathmandu-Tal ist unglaublich. 300 steile Stufen führen hinauf unter dem wohlwollenden Blick der Augen Buddhas, die von allen Seiten der Stupa in die vier Himmelsrichtungen schauen. Swayambunath ist eine große Tempelanlage, in der sich Hinduismus und Buddhismus vereinen.
Sie gilt als Zentrum des Newar-Buddhismus, während Bodnath dem tibetischen Buddhismus gewidmet ist. Hoch über dem Tal ist man entrückt von all dem Trubel und der geschäftigen Hektik der Stadt und dieselbe intensive mystische und spirituelle Athmosphäre wie in Bodnath umfängt den Besucher. Die Swayambunath Stupa ist kleiner als die von Bodnath, aber die Tempelanlage im gesamten ist um einiges größer.
Es fällt mir „ein Stein vom Herzen“, denn auch diese große und bedeutende Stupa ist weitgehend unzerstört bis auf einige Risse, die in der Kürze der Zeit erst einmal notdürftig verschlossen wurden. Einige der umgebenden Gebäude sind allerdings so stark beschädigt, dass die Überreste inzwischen abgetragen werden, damit man anschließend mit dem Wiederaufbau beginnen kann. Dabei wird jeder noch brauchbare Ziegelstein zur Wiederverwertung beiseite gelegt.
Der Dubar Square in Kathmandu…
ist die letzte Station meiner Besuche in und um Kathmandu für heute. Der Platz liegt mitten in der historischen Altstadt von Kathmandu. Mehr als 50 antike Holztempel mit faszinierenden Holzschnitzereien und Pagoden bilden hier zusammen mit dem alten Königspalast eines der fantastischsten Ensemble auf der Welt. Die Schönheit der Gebäude und ihre große Bedeutung im täglichen Leben der Nepalesen machen diese ganz besondere Atmosphäre aus.
Gleichzeitig ist es aber auch mit die deprimierendste Station am heutigen Tag. Drei große Tempel und Pagoden hat das Erdbeben völlig zum Einsturz gebracht. Teilweise wurden die Trümmer bereits weggeräumt. Der alte Königspalast und der Tempelturm des Palastes sind in einem recht traurigen Zustand und nahezu rundherum abgestützt. Trotzdem versprüht der Dubar Square mit den verbleibenden Tempeln und Pagoden immer noch diese wunderbare erhabene Stimmung, die ihn zu etwas ganz Besonderem machen.
Der Dubar Square liegt in Laufweite vom Hotel und so schließt sich damit der Besichtigungskreis, den ich gemeinsam mit Shyam unternommen haben. Es ist auch die letzte Station unseres heutigen Tages, denn der Nachmittag neigt sich langsam dem Ende zu.
Für die geplante morgige Fahrt in die Dörfer des Dholakha Distrikts besorge ich 150 Schulhefte, Bleistifte, Buntstifte, Bleistiftspitzer und Radiergummi als kleine Geschenke für die Schulkinder. Um fünf Uhr am Nachmittag bin ich mit Jagat verabredet, den ich schon seit vielen Jahren kenne. Er hat in der Vergangenheit schon viele ehrenamtliche Hilfsleistungen für die Dörfer in seiner Heimatregion im Dholakha Distrikt erbracht.
Von einem Teil der Spendengelder hat er bereits Wellblechplatten geordert, die wir noch heute abholen und verladen, um sie morgen gemeinsam in einige entlegene Dörfer des Dholakha Districts in Richtung Jiri zu bringen. Diese Region wurde besonders stark vom Erdbeben getroffen. Insgesamt 440 Wellblechplatten werden auf den recht klapprigen Pickup verladen für die morgige Fahrt.
Es beginnt gerade zu dämmern als der Jeep mit Jagat im Nirwana Garden Hotel vorfährt. Das Gepäck und die Geschenke für die Kinder der Dorfschulen werden verladen. Um diese Zeit ist Kathmandu noch wie leer gefegt und so lassen wir die Stadt schnell hinter uns. Unterwegs steigen noch einige Bekannte von Jagat zu, die die Mitfahrgelegenheit nach Dholaka nutzen wollen. Inzwischen sitzen neun Personen incl. dem Fahrer im Jeep – eine echte nepalesische Fahrt also – und eine wirklich effiziente Nutzung von Recoucen. Jagat besteht darauf, dass ich vorne neben dem Fahrer Platz nehme – ein ganzer Platz für mich alleine – welch ein Luxus - er duldet keine Widerrede. Ich muss gestehen, dass ich das gerne annehme, denn auf den beiden hinteren Bänken sitzen die Fahrgäste einander fast auf dem Schoß.
Wir verlassen das Kathmandu-Tal bei Dhulikhel Nach einer guten Stunden legen wir einen kurzen Frühstückshalt ein. In einer „Dhaba“, einem kleinen Restaurant am Straßenrand, gibt es ein wirklich köstliches Puri Baji. In Nepal und auch in Indien habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es gerade in diesen kleinen Restaurants am Straßenrand richtig gute Hausmannskost gibt. Diese Dhabas findet man manchmal irgendwo im Nirgendwo, wo sie hauptsächlich von Truckern und Reisenden besucht werden. Hier können wir der Köchin sogar noch bei der Zubereitung des "Luftbrotes" zuschauen.
Unsere Fahrt geht durch eine wunderschöne und liebliche Landschaft, die mich immer wieder zum Fotografieren verlockt. Zum Fotografieren anhalten können wir leider nicht, denn dafür haben wir nicht genügend Zeit. Deshalb schieße ich die Fotos bei geöffnetem Fenster aus dem fahrenden Jeep und das eine oder andere Foto ist sogar einigermaßen vorzeigbar.
Der Pickup mit den Wellblechplatten ist schon während der Nacht losgefahren. Das betagte Vehikel ist mit seiner schweren Ladung sehr viel langsamer wie wir. Nach ca. drei Stunden holen wir den Pickup ein. Wir gelangen jetzt etwas weiter hinein in das ländliche Nepal, haben die Hauptstraße in Richtung Jiri schon hinter uns gelassen und gelangen langsam höher hinauf. An einer stärkeren Steigung ist für den Pickup kein Weiterkommen – der Motor ist einfach zu schwach. Mit vereinten Kräften aller sieben Mannsbilder wird der Pickup bergauf geschoben. Auf der Weiterfahrt warten wir immer wieder auf den Pickup um sicherzugehen, dass er nicht wieder irgendwo hängenbleibt.
Gegen 14 Uhr erreichen wir den Dholaka-Distrikt und passieren ein größeres Dorf. Jagat ist in einem Dorf in der Nähe aufgewachsen und kennt hier jede „Nase“.
Obwohl die Region einige hundert Kilometer vom Epi-Zentrum des Erdbebens entfernt ist, sind in den Dörfern teilweise große Schäden an den Häusern entstanden. Je weiter wir in die ländlichen Gebiete kommen, desto mehr beschädigte Häuser sehen wir. Oft ist das Obergeschoss mitsamt dem Dach zusammengebrochen. Die beginnende Monsunzeit macht die Situation für die Menschen noch schlimmer. Viele Häuser sind bisher nur notdürftig mit Planen abgedeckt oder die Menschen haben sich notdürftige Hütten aus Wellblechplatten und Planen gebaut..
Namdu ist das erste Dorf auf unserem „Fahrplan“, wo ein kleiner Teil der Wellblechplatten abgeladen werden soll. Das Erdbeben hat das Dach der Schule vollständig zertört und es soll mit den Platten erst einmal notdürftig abgedichtet werden, damit die Schüler wenigstens im Trockenen lernen können. Der Dorfvorsteher ist mit einigen kräftigen Männern gekommen und die Platten werden direkt vom unserem Pickup auf einen dorfeigenen Truck geladen. Ich hätte die Schule und das Dorf gerne besucht, aber Jagat mahnte mit einem Blick auf die Uhr. Durch den langsamen Pickup hatten wir schon mindestens zwei Stunden länger gebraucht als geplant.
Weit kommen wir allerdings nicht. Nach einigen Kilometern geht die bisher noch einigermaßen asphaltierte Straße bei Marbu in eine grobe Piste über. In der Nacht hat es hier heftig geregnet und der Weg ist total aufgeweicht. Selbst unser Jeep kommt hier nicht mehr durch. Da der Dorfvorsteher von Namdu mit uns gekommen ist sorgt er sogleich dafür, dass ein Traktor mit einem Anhänger voll Erde und eine Planierraupe aus dem Nachbardorf kommt. Nach zehn Minuten steht alles bereit, die Erde wird Stück für Stück abgekippt und nach gut einer Stunde ist der „Matsch“-Abschnitt wieder einigermaßen befahrbar, obwohl es uns mit unseren beiden altersschwachen Fahrzeugen immer noch einige Mühe kostet durchzukommen.
Kaum haben wir uns wieder in Bewegung gesetzt scheitert der Pickup an der nächsten größeren Steigung. Schieben mit Manneskraft bewirkt gar nichts. Die Planierraupe kommt hinter uns her und versucht zu schieben – nicht einmal das gelingt. Die Fahrt für den Pickup ist damit hier beendet. Gottseidank ist der Trecker mit dem Anhänger noch in Sichtweite und eilt flugs herbei. Die Platten werden Stück für Stück auf den Anhänger umgeladen und dann kann es endlich weitergehen.
Wir kommen immer höher hinein in die Vorberge des Himalaya. Eine faszinierende Landschaft aus Terassenfeldern umgibt uns.
Es ist schon halb vier als wir endlich im Dorf Martho ankommen. Die Kunde über unseren Transport scheint uns voraus geeilt zu sein, denn viele Dorfbewohner stehen zu unserem Empfang bereit. Die Kinder singen uns ein „Welcome“-Lied.
Während ein Teil der Wellblechplatten abgeladen wird organisiert Jagat die Verteilung unserer kleinen Geschenke an jedes einzelne der Kinder. Es hat mich berührt mit wieviel Freude und Dankbarkeit die kleinen Gaben entgegengenommen werden. Viel zu viele Hände werden uns entgegengestreckt. Wir können sie gar nicht alle drücken. Mir stehen die Tränen in den Augen als wir das Dorf verlassen.
Alles muss schnell gehen, denn wir wollen noch weiter zum nächsten Dorf. Es sind zwar nur ein paar Kilometer, aber nach den bisherigen Erfahrungen weiß man ja nie…Gottseidank sind die Tage jetzt Ende Juni etwas länger. Bis etwa sieben Uhr können wir noch mit Tageslicht rechnen. Allerdings sehen wir in der Ferne auch schon die erste schweren Wolken über die Bergkämme wabbern...
Gegen halb fünf kommen wir in Ksetrapa an. Das Dorf ist um einiges größer und hat sowohl eine Primary School für die Kleinsten als auch eine Secondary School für die etwas älteren Kinder. Auch hier warten die Dorfbewohner bereits auf uns. Noch einmal erhalten wir einen unglaublichen Empfang. Kinder und Jungendliche bilden ein langes Spalier und singen ein Wellcome-Lied. Jagat übergibt hier die Schulhefte und weiteren kleinen Geschenke an die Dorfschullehrerin zur Verteilung, denn das würde viel zu lange dauern. Dieser "große Bahnhof" ist mir unendlich peinlich, aber es ist die Art der Nepalesen ihre Freude und Dankbarkeit auszudrücken und so müssen wir da durch...im wahrsten Sinne des Wortes.
Obwohl wir eigentlich sofort wieder weiterfahren müssen, haben wir keine Chance dem vorbereiteten Empfang im Lehrerzimmer der Secondary School zu entgehen ohne die Dorfbewohner wirklich vor den Kopf zu stoßen. Das wollen wir natürlich auf keinen Fall. Jeder wichtige Mensch im Dorf vom Dorfältesten, dem Dorfvorsteher, dem Schulleiter und dem Bürgervertreter hält eine Dankesrede auf Nepalesisch, die vom Dorflehrer übersetzt wird. Auch ich werde gebeten ein paar Worte zu sagen – schließlich kommt nicht alle Tage eine westliche Touristin zusammen mit einer Hilfslieferung ins Dorf. Es gibt kein Entrinnen…
Schließlich ist es schon nach sechs Uhr bis wir es endlich schaffen uns „loszueisen“. Wir sind schon auf dem Weg zu unserem Jeep als der Himmel ganz plötzlich seine Schleusen öffnet – als ob dort oben jemand eine Badewanne umgekippt hätte – es regnet „cats and dogs“. An ein Weiterfahren ist so nicht zu denken. Wir haben keine andere Möglichkeit als erst einmal abzuwarten.
Viertel vor sieben – langsam bricht die Dunkelheit herein. Endlich läßt der Regen etwas nach. Deshalb beschließen wir nun loszufahren. Wie der Fahrer den Weg findet ist mir ein Rätsel. Im schwachen Licht der Scheinwerfer zeigt sich der Weg nur schemenhaft. Außerdem ist die Piste noch mal richtig aufgeweicht worden und scheint inzwischen nur noch aus Schlamm zu bestehen.
Es sind wieder einige steile Passagen zu überwinden. Früher oder später mußten wir ja wieder hängen bleiben. Die Männer steigen aus um zu schieben. An einer Stelle hilft selbst das nicht. Obwohl Jagat auf keinen Fall wollte, dass auch ich aussteige, tue ich es nun trotzdem, versuche noch ein wenig beim Schieben zu helfen (…wird wohl nicht viel gewesen sein, was ich beisteuern konnte…), aber siehe da der Jeep bewegt sich langsam wieder und kämpft sich mit durchdrehenden Rädern nach oben. Da wir alle noch hinter dem Wagen stehen verteilt sich eine Ladung Matsch über uns und wir sehen aus wie die Schweine. Wir schauten uns gegenseitig an und brechen erst mal in schallendes Gelächter aus, obwohl wir eigentlich nicht wissen, ob wir lachen oder weinen sollen…
Für sieben Kilometer brauchen wir eineinhalb Stunden. Kurz vor Namdu ist ein Truck hängen geblieben. An ein Vorbeifahren ist auf der engen Strecke nicht zu denken. Jagat kennt noch einen anderen Weg zurück zur Hauptstraße. Der Jeep muss gewendet werden – Zentimeterarbeit – zig Mal hin und her rangieren… Schließlich ist es geschafft und wir sind wieder unterwegs. Nach einer weiteren Stunde erreichen wir die asphaltierte Hauptstraße – der Jubel ist groß und unser aller Lob an den Fahrer auch, der zusätzlich noch eine gehörige Portion Applaus bekommt.
Um kurz vor zehn kommen wir in Maina Pokhari im Haus von Jagats Eltern an. Das ursprüngliche Haus ist beim Erdbeben stark beschädigt worden und ist derzeit nicht bewohnbar. Deshalb wurde notdürftig ein Wellblechhaus errichtet, in dem die Eltern mit zwei der drei Söhnen wohnen, deren Frauen und drei Enkelkindern – und das alles in wirklich aller einfachsten Verhältnissen. Es gibt einen kurzes schnelles Abendessen und dann will ich nichts anderes als schlafen.
Jagat zeigt mir meine Schlafstatt und gibt mir einen Schlafsack, den er für mich mitgebracht hat. In einem kleinen abgetrennten Raum stehen zwei saubere Betten. In dem einen schläft einer der Enkel des Hauses und das andere ist für diese Nacht das meine. Das Bett ist bretthart, aber davon merke ich nicht mehr viel – ich bin kaum in der waagerechten, da segel ich auch schon hinüber in das Reich der Träume…
Gegen halb sieben erwacht das Leben im Haus. Durch die Wellblechwände hört man alles. Ans Aufstehen möchte ich aber noch nicht denken und stelle mich noch ein wenig schlafend. Allerdings treiben mich dann doch meine schmerzenden Knochen aus dem harten Bett, denn das fühlt sich heute noch viel härter an als gestern Abend. Gegen sieben Uhr stehe ich dann schließlich auf und schaue mich ein wenig in der Umgebung um. Inbesondere schaue ich mir das Wellblechhaus von Jagats Eltern etwas näher an.
Jagat ist schon seit dem frühen Morgen unterwegs und kommt gerade zurück. Ob ich die nahegelegene kleine Krankenstation sehen möchte – ja, natürlich sehr gerne! Die ist vor einigen Jahren von der niederländischen Hilfsorganisation Himalayan Care Hands gebaut worden und wird seitdem auch von ihr unterhalten und mit Medikamenten versorgt.
Jagat hat Grund und Boden dafür zur Verfügung gestellt. Außerdem achtet er auch darauf, dass alles einigermaßen gut läuft. Dazu gehört auch, für medizinisches Fachpersonal zu sorgen. Am liebsten hätte er hier einen Arzt. Himalayan Care Hands zahlt ein ziemlich gutes Gehalt, aber trotzdem haben die meisten erfahrenen Mediziner heutzutage keine Lust mehr in einer so abgelegenen Gegend zu arbeiten und in den entsprechend einfachen Verhältnissen zu leben. Die bisherigen Mediziner sind meistens nicht allzulange geblieben. Da es die einzige Krankenstation weit und breit ist kommen viele Einheimische auch aus den umliegenden Dörfern hierher, wenn sie gesundheitliche Probleme oder sich verletzt haben. Derzeit sind vier Krankenschwestern im Schichtdienst dort beschäftigt.
Gegen zehn Uhr sind wir zurück in Jagats Elternhaus. Es gibt nun erst mal Frühstück und dann packen wir sogleich unsere Sachen. Wir wollen heute noch bis Kathmandu zurückfahren. Jagats Familie besteht jedoch darauf, dass zunächst einige Erinnerungsfotos vor dem Haus gemacht werden. So werden alle Familienmitglieder zusammen getrommelt und das große Fotografieren kann beginnen.
Gestern sind wir die letzte Strecke nach Maina Pokhari in der Dunkelheit gefahren und haben die Zerstörungen, die das Erdbeben angerichtet hat, nicht mehr sehen können. Heute zeigt sich uns das ganze Ausmaß des Elends. Da ist sind die paar Wellblechplatten, die wir hierher gebracht haben, ein wirklicher Tropfen auf den heißen Stein und es schmerzt, die Menschen hier so zurückzulassen ohne momentan noch mehr tun zu können.
Die Rückfahrt geht jetzt um einiges schneller, denn wir müssen nicht dauernd auf den langsamen vollbeladenen Pickup warten. So haben wir auch ein wenig mehr Zeit für das eine oder andere Foto von der faszinierenden Landschaft, die uns umgibt.
Wir kommen recht gut voran auf unserer Fahrt bis uns unser Jeep einen „Streich“ einen Streich. Während der Fahrt geht das altersschwache Vehikel einfach irgendwo im Nirgendwo auf freier Strecke aus. Zuerst haben wir den Verdacht, dass wir ihn trocken gefahren haben. Der Fahrer besorgt ein paar Liter Diesel von einem LKW, der dort gerade mit Steinen beladen wird. Die Männer versuchen den Jeep dann anzuschieben, aber das beeindruckt unseren Jeep herzlich wenig.Deshalb wird nun ein Mechaniker aus dem nächsten Ort gerufen. Nach zwanzig Minuten trifft er ein und er bekommt unser Vehikel sogar ziemlich schnelll wieder „flott“.
Ohne weitere Zwischenfälle kommen wir schließlich gegen sieben Uhr am Abend in Kathmandu an. Ich bin ziemlich „erschlagen“ und ziehe mich sogleich auf mein Hotelzimmer zurück.
Zusammen mit Shyam wollte ich heute Bhaktapur nach dem Erdbeben besuchen. Die kleine Stadt am Hanumante Khola Fluss ist mit 81.000 Einwohnern neben Kathmandu und Pathan die kleinste der drei Königsstädte im Kathmandu-Tal. Da die Stadt wie Kathmandu an der alten Handelsroute zwischen Indien und Tibet lag, gehörte sie zu den wohlhabeneren.
Ganz anders als in Kathmandu gibt es in Baktapur so gut keine Betonbauten. Die alten drei- bis vierstöckigen Häuser im Stadtkern sind meistens aus rotem Backstein gebaut und verleihen der Stadt eine mittelalterlich anmutende Atmosphäre. Die Innenstadt rund um den Dubar Square wurde großräumig zu einer autofreien Zone erklärt, was der kleinen Bauernstadt zusätzlich noch eine besondere und beschauliche Atmosphäre verleiht.
Bhaktapur war vom 14. Bis 18. Jahrhundert das politische Herz des Malla-Königreiches. Von den 172 Tempelanlagen der Stadt stammen sehr viele aus dieser bedeutsamen Zeit. Bekannt ist Bhaktapur auch für seine Holzschnitzkunst, die hier auch heute noch ganz intensiv als Kunsthandwerk betrieben wird. Eine der bekanntesten Holzschnitzarbeiten ist das Pfauenfenster in einer Seitengasse nahe dem Dubar Square.
Shyam hatte mich schon vorgewarnt. Bhaktapur war die Stadt im Kathmandu-Tal, die das Erdbeben mit am härtesten getroffen hatte - und das, nachdem das Erdbeben von 1934 hier auch so stark gewütet hatte. Die alten Backsteinbauten haben nicht die Standfestigkeit wie die etwas neueren Häuser, die mit Stahl verstärkt gebaut worden sind. Der Anblick hat mich hat mich sehr getroffen.
Hier in Bhaktapur ist man jetzt sechs Wochen nach dem Erdbeben noch immer sehr intensiv damit beschäftigt, die Trümmer beiseite zu räumen. Viele der Gassen sind einfach zu eng, so dass sie nicht von schwerem Gerät erreicht werden können. Hier müssen die Trümmer größtenteils von den Einwohnern in Handarbeit und mit Tragekörben abtransportiert werden.
Auch unter den wunderbaren Tempeln hat das Erdbeben gewütet. Einige sind beschädigt und abgestützt, einige sind ganz zerstört. Das berühmte Pfauenfenster hat das Erdbeben um Haaresbreite unbeschädigt überstanden.
Noch einmal Kauf von 100 Schreibheften und Malutensilien. Die haben Ram und Shyam gespendet für die morgige Fahrt nach Fikuri Village im Langtang-Gebiet nördlich von Kathmandu. Ramshing, mit dem ich Anfang des Jahres auf einer Trekkingtour im Langtang-Gebiet unterwegs war, hatte mich um einen Besuch in seinem Heimatdorf Fikuri gebeten. So nah am Epi-Zentrum hat das Erdbeben dort große Schäden hinterlassen. Insbesondere die Schule ist zerstört und muss unbedingt wieder aufgebaut werden damit die Kinder eine Chance haben, weiterhin Schulunterricht zu bekommen. Eventuell wollten wir einen Teil der Spendengelder dafür einsetzen.
Für die heutige Fahrt nach Fikuri Village stellt uns Ram seinen vierradgetriebenen Jeep zur Verfügung. Der macht auf jeden Fall einen sehr viel vertrauenserweckenderen Eindruck als das Vehikel mit dem Jagat und ich vor drei Tagen nach Main Pokhari unterwegs waren. Eigentlich hatte Ram mit nach Fikuri kommen wollen, aber in letzter Konsequenz klappte es leider wegen zu viel Arbeit nicht. So fuhr ich mit Ramshing, seiner Frau, seiner Tochter Pramila und seinem Neffen alleine nach Fikuri.
Vom Thamel, dem Touristenzentrum in Kathmandu, fahren wir in nördlicher Richtung. In den etwas außerhalb liegenden Stadtgebieten von Kathmandu hat das Erdbeben weit mehr gewütet und so sehen wir einige stark beschädigte und auch zerstörte Häuser.
Bald verlassen wir die Außenbezirke von Kathmandu und das Kathmandu-Tal und erreichen Trisuli Bazar. Von hier aus geht es weiter in Richtung Norden entlang des gleichnamigenTrisuli-Flusses, der hoch oben auf dem tibetischen Hochplateau entspringt. Die Landschaft entlang des Flusses ist wunderschön. Schließlich verlassen wir das Trisuli-Tal und bieten ab in Richtung Westen. Von hier aus sind es noch 25 km nach Fikuri. Es geht steil hinauf in die Berge, die wir vorher lange Zeit vom Tal aus bewundert hatten.
Die asphaltierte Straße lassen wir jetzt nach wenigen Kilometern hinter uns. Die Piste wird rauh und steinig. Wir werden restlos durchgerüttelt und Ramshing meint nur mit seinem einnehmenden Lächeln "dancing car" und wir müssen erst einmal herzlich Lachen - auch wenn uns bei den immer schlimmeren Anblicken eigentlich nicht mehr zum Lachen zumute ist. Mit jedem weiteren Meter in Richtung Nordwesten kommen wir dem Epi-Zentrum des Erdbebens näher und die Zerstörungen werden größer. Das Ausmaß der Zerstörungen und das damit verbundene Leid der Menschen ist unermesslich und berührt zutiefst. Es scheint, als sei kein einziges Haus ohne große Beschädigungen davon gekommen.
Nach einer unglaublich anstrengenden Fahrt erreichen wir Fikuri Village. Für die letzten 25 km haben wir fast drei Stunden gebraucht. Ramshings Haus in Fikuri ist stark beschädigt und nicht mehr bewohnbar. Deshalb kommen wir bei der Familie seines Bruders Meila unter. Auch Meilas Haus ist nicht mehr bewohnbar und so hat sich die Familie notdürftig aus Wellblechplatten ein kleines Häuschen gebaut. Ein einziger kleiner Raum mit einem feuchten gestampften Lehmboden dient zum Kochen, Schlafen, Aufhalten und als Lagerstätte für Lebensmittel, die teilweise schon eingebrachte Ernte und für das gesamte Hab und Gut der Familie. Es ist fast unvorstellbar in solchen Verhältnissen zu leben.
Der Empfang durch Meila und seine Familie ist unglaublich herzlich. Trotz der einfachsten Lebensumstände sind irgendwie alle fröhlich und lächeln, während es mir eher zum Weinen zumute ist. Die Frauen beginnen sogleich damit das Abendessen zuzubereiten, denn jetzt sind noch einige "Mäuler" mehr zu stopfen. Unterwegs hatten wir noch Obst und Gemüse in Trisuli eingkauft und als Geschenk mitgebracht. Gerne tue auch ich mein möglichstes ein wenig Arbeit für das Abendessen beizusteuern.
Es kommen viele Nachbarn zu Besuch. Wahrscheinlich hat sich rasend schnell herumgesprochen, dass eine westliche Touristin zu Besuch bei Meila ist und da will doch jeder mal neugierig schauen. In der Zwischenzeit hat sich Ramshing schon um eine Schlafstatt für mich gekümmert. Er hat ein Trekkingzelt, eine Liegematten und Decken aus Kathmandu mitgebracht. Dabei bekomme ich ein richtig schlechtes Gewissen, denn mit Sicherheit ist das eine der gemütlichsten und besten Schlafstätten, die im ganzen Dorf zu finden ist.
Nach einem wirklichköstlichen Abendessen, das mit einfachsten Mitteln auf einem einzigen Kerosinkocher zubereitet worden war, ist es dann auch Schlafensgehenszeit. Ich bin froh, jetzt ein wenig Zeit für mich zu haben nach den vielen erschreckenden, aber auch sehr bewegenden Eindrücken. Es dauert noch sehr lange bis ich endlich einschlafen kann. Viel zu viele Gedanken gehen mir durch den Kopf. Ich freue mich sehr, dass ich mit unseren Spendengeldern hier ein wenig für die Menschen tun kann, aber es wirklich nur ein "winziges Tröpfchen auf einem unsagbar heißen Stein".
Schon früh am Morgen gegen halb fünf erwacht im Haus das Leben. Ich bleibe noch etwas liegen, um dem einfachen Leben noch einen kleinen Moment zu entfliehen. Schließlich packe ich aber doch meine "sieben Sachen" zusammen und begebe mich ins Haus. Hier sind alle schon emsig damit beschäftigt das Frühstück vorzubereiten.
Danach lädt mich Ramshing zu einem Rundgang durchs Dorf ein, damit ich einen Eindruck von den Lebensumständen nach dem Erdbeben bekomme. Die vielen beschädigten und teilweise auch völlig zerstörten Häuser und die extrem einfachen Lebensumstände sind bedrückend. Gemeinsam schauen wir bei einigen von Ramshings Bekannten und Verwandten vorbei. Besonders berührend ist das Zusammentreffen mit eiinem älteren Ehepaar, deren Hütte zwar nicht vollständig zerstört wurde, aber trotzdem extrem einfach war.
Auch die arg zerstörten Schulgebäude schauen wir uns an. Einige der Dorfbewohner sind emig damit beschäftigt behelfsmäßige Schulräume für de Kinder zu bauchen.
Dann treffen wir die Vorbereitungen für die Verteilung der mitgebrachten Geschenke unter den Schulkindern des Dorfes Fikuri.
Da wir noch eine lange Fahrt zurück nach Kathmandu vor uns haben gehen wir nach der Übergabe der Geschenke an die Kinder von Firkuri schnell zurück zum Haus von Meila, um uns von der Familie zu verabschieden. Vorher muss natürlich unbedingt noch das inzwischen in Nepal überall übliche Familienfoto gemacht werden. Dann drängt Ramshing zum Aufbruch.
Unter den neugierigen Blicken einiger Schuljungen von Firkuri laden wir unsere Sachen in den Jeep, um nun schnellstmöglich zu unserer Rückfahrt nach Kathmandu aufzubrechen. Wir müssen uns ein wenig beeilen, um noch vor Einbruck der Dunkelheit in Kathmandu anzukommen. Die Rückfahrt führt uns durch eine wunderschöne Berglandschaft, für die wir auf der gestrigen Hinfahrt wegen des ständigen Regens kaum ein Auge hatten.
In Kathmandu gibt es sogleich nach unserer Rückkehr aus Firkuri eine Zusammenkunft im Büro von Jagat wegen dem Wiederaufbau der Schule dort. Dafür holen wir einen weiteren Akteur in's "Boot", Sher Kintzl-Bahadur. Sher kenne ich schon seit vielen Jahren. Er spricht hervorragend Deutsch und mit seiner Hilfsorganisation "Green Society Nepal" hat er schon viele wunderbare Hilfsprojekte in Nepal in's Leben gerufen und sowohl tatkräftig wie auch finanziell unterstützt. Da er in der Chitwan-Region bereits den Bau einer großen Schule initiiert und betreut hat, ist er auch der richtige Ansprechpartner für den Wiederaufbau der Schule in Firkuri. Er sagt seine Hilfe und Unterstützung zu und so fließt ein Teil der Spendengelder an seine Hilfsorganisation.
Als ich Ende 2014 eine kleine Trekkingtour machen wollte hielt Ram Ausschau nach einem Trekking-Guide für mich. Dadurch lernte ich Ramshing kennen, mit dem ich einige Tage im westlichenn Langtang-Gebiet auf dem Tamang Heritage Trek unterwegs war. Von Anfang an haben wir uns sehr gut verstanden und während der wirklich schönen Wanderung viel erzählt. So erzählte e auch von seiner Familie und seiner Tochter Sarmila und ihrem tragischen Schicksal.
Als Baby erkrankte Sarmila an Hirnhautentzündung. Damals lebte die Familie noch in Fikuri. Dort gab es keine ausreichende ärztliche Hilfe, so dass ihr Gehirn massive Schäden davon trug. Sie hat dadurch nie richtig Sprechen und Laufen lernen können. Vielleicht wäre es seinerzeit noch möglich gewesen Sarmilas Behinderung mit intensiver professioneller Physiotherapie zu verbessern, aber so etwas gab es leider im Dorf nicht.
Seit einigen Jahren lebt Ramshing mit seiner Familie in Kathmandu, wo es für Sarmila auf jeden Fall sehr viel mehr Möglichkeiten gibt. Große Sorgen macht Ramshing sich allerdings, wie in ferner Zukunft die Betreuung von Sarmila aussehen wird. Er und seine Frau sind jetzt Mitte fünfzig und Sarmila gerade einma 14. Sie wird sehr viel länger auf Hilfe angewiesen sein als Ramshiing das mit seiner Frau leisten kann. Seine beiden anderen Töchter und sein Sohn unterstützen ihn momentan noch sehr tatkräftig, aber sie sind inzwischen alle im heiratsfähigen Alter und werden über kurz oder lang ihr eigenes Familienleben haben. Ramshing würde niemals von seinen anderen Kindern erwarten, dass einer von ihnen Sarmila später in seiner neuen Familie betreut.
Als ich Sarmila kennenlernte hat sie mich sofort tief beeindruckt. Trotz Ihrer schweren Behinderung ist sie ein unglaublich fröhliches junges Mädchen, das gerne und viel lacht. Sie ist immer freundlich, versteht jedes Wort, kann sich aber selbst leider nicht richtig artikulieren. Ihre Mutter kann die undeutlichen Laute recht gut verstehen. Gerne nutze ich meine letzten beiden Tage in Nepal, um mich gemeinsam mit Ramshing, seiner Frau und Sarmila nach Betreuungs- und Therapiemöglichkeiten in Kathmandu umzuschauen. Einen Tag stellt uns Jagat einen Minibus zur Verfügung und am anderen Tag Ram.
Am letzten Tag ist der Besuch im Budhanilkantha sehr vielversprechend. Hier gibt es eine Betreuungshaus, das Tagespflege mit Physio- und Sprachtherapie bietet, aber die behinderten Kinder können auch hier übernachten. Momentan ist kein Platz frei, aber die Leiterin ist Frau Laxmi Tamang. Sie ist vom gleichen Volksstamm der Tamang wie Ramshing und seine Familie auch und so setzt sie Sarmila ganz oben auf die Warteliste für einen Betreuungsplatz. Gerne zeigt sie uns das vorbildlich geführte Betreuungsheim.
Die Zeit in Nepal ist so unglaublich schnell vorbeigegangen und ich sitze schon wieder im Flieger von Air India von Kathmandu nach Delhi, um von dort aus nach Frankfurt weiterzufliegen. Zum Abschied präsentieren sich die schneebedeckten Eisriesen des Himalaya heute von ihrer schönsten Seite.
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