Die letzte Etappe unserer Reise, die uns über Simikot in Westnepal zum Kailash und weiter nach Xinjiang in Westchina geführt hat, war Pakistan. Von Kashgar, der alten Handelsstadt und dem Knotenpunkt an der antiken Seidenstraße ging es in Richtung Süden. Über den Khunjerab Pass erreichten wir Pakistan...
Ein wenig hatte ich befürchtet, dass uns Pakistan und der Karakorum Highway gegen Ende dieser wirklich absolut großartigen und einmaligen Reise vielleicht nicht mehr so richtig begeistern könnte. Da wurde ich allerdings ganz schnell und ganz gründlich eines besseren belehrt...
Pakistan war noch einmal ein ganz großer Höhepunkt auf einer Reise, die eigentlich nur aus Höhepunkten bestand...und das nach den schon hinter uns liegenden fünf erlebnisreichen und absolut phantastischen Wochen durch Nepal, Tibet und Westchina.
Religion und Kultur - Klima und Landschaft - vielfältiger und interessanter kann eine Reise kaum sein...
Vom hinduistischen Nepal ins buddhistische Tibet, ins liberal moslemische Xinjiang und schließlich ins ein wenig strenger moslemische Pakistan...
Vom nepalisischen Tiefland hinauf auf die höchsten Höhen des westtibetischen Hochlandes und wieder hinunter ins Tiefland von Xinjiang, um über einen der höchsten befahrbaren Pässe der Welt in die Gebirgswelten von Karakorum, Hindukusch und des Himalaya zu gelangen, die in Pakistan grandios aufeinander treffen...
Aus den Niederungen der nepalesischen Monsunregenfälle hinauf in auf das aride und wüstenhafte tibetische Hochplateau im Regenschatten des Himalaya und wieder hinab in die Niederungen eine der trockensten Wüsten dieser Welt bis uns schließlich der Monsun im pakistanischen Islamabad wieder begegnete...
So verschiedenartig Klima, Landschaft, Kultur und Religionszugehörigkeit auch waren - eines war allen gemeinsam:
unglaublich freundliche und beeindruckende Menschen, die uns immer in Erinnerung bleiben werden - ganz unabhängig davon ob Hindus, Buddhisten oder Moslems.
Schon die Fahrt im "Niemandsland" zwischen den beiden Grenzstationen von Tashkorgan in China und Sost in Pakistan war landschaftlich grandios. Ein letztes Mal auf unserer langen Reise kamen wir dabei auf eine Höhe von knapp 5.000 m auf dem Kunjerab Pass, einem der höchsten befahrbaren Pässe unserer Welt.
Der Khunjerab Pass liegt auf einer kleinen Hochebene umrahmt von schneebedeckten Bergen, die noch um einiges höher aufragen. Faszierend waren auch hier die intensiven Farben, wie sie ein Maler für diese Landschaft nicht schöner hätte ersinnen können.
Im "kleinen Grenzverkehr" brachte uns Yussuf, unser uigurischer Guide aus Kashgar in unserem chinesischen Minibus bis nach Sost. Hier mußten wir uns leider von ihm verabschieden und trafen gleichzeitig auf Asif, unseren pakistanischen Guide. Obwohl Asif im ersten Moment mit seiner Baseballkappe und der Zigarette in der Hand etwas "super-cool" wirkte, "entpuppte" er sich schnell als ein ganz Netter. Er freute sich wirklich, mal wieder mit westlichen Reisenden als Guide unterwegs zu sein und zeigte uns voller Stolz und Begeisterung seine schöne Heimat.
Asif hatte allerdings zur Begrüßung erst einmal keine wirklich guten Nachrichten für uns. Ein Stück weiter in Richtung Karimabad, unserem heutigen Ziel hatte es einen ziemlich heftigen Erdrutsch gegeben. Die Straße war momentan unbefahrbar. Zu Fuß mussten wir auf einem Trampelpfad über die Geröllmassen des Erdrutsches stapfen. Gottseidank hatte er schon Träger organisiert, denn mit über 20 Kilo Gepäck wäre ich da niemals rüber gekommen.
Nachdem wir dieses erste Hindernis überwunden hatten, hatten wir auch wieder Augen für die unglaubliche Landschaft, die uns umgab. Die Schönheit des oberen Hunza-Tales und die Grandiosität des Karakorum-Gebirges war kaum noch zu überbieten. Jede Kurve auf dem legendären Karakorum Highway bot neue - wie es uns erschien noch einmal gewaltigere Ausblicke auf die phantastische Bergwelt.
Trotz Genzübertritt und Erdrutschüberquerung hatten wir noch Gelegenheit wie geplant bei Passu den Borit See und den Ghulkin Gletscher zu besuchen, Der Weg dorthin war mehr ein Spaziergang als eine Wanderung.
Zurück auf dem Karakorum Highway versetzten uns die Ausblicke immer wieder ins Staunen, insbesondere zurück in Richtung Passu, wo die Zinnen der Karun Kho Berggruppe die Talsohle schroff und steil um 3.500 m überragen.
Entlang des Hunza-Flusses, der hoch oben in der Nähe des Khunjerab Passes als Khunjerab Fluss entspringt, fuhren wir in südlicher Richtung. Dann ändern Fluss und Tal abrupt die Richtung nach Westen und gaben nach einigen Kilometern den Blick frei auf Karimabad, den Hauptort des mittleren Hunza-Tales. Was für ein Anblick! Stolze 5.300 m überragt der schneebedeckten Eisriese Ultar die Talsohle, die hier gerade einmal auf 2.080 m liegt, und davor Karimabad und das Baltit Fort.
Kaum dass wir unser einfaches Hotel bezogen hatten zog es uns hinaus, um noch ein wenig durch die Gassen von Karimabad zu spazieren. Da seinerzeit nur selten westliche Touristen hierher kamen war die Neugier bei den Einheimischen groß. Aber gleichzeitig waren die meisten sehr zurückhaltend - vielleicht auch ein wenig schüchtern und so kamen wir nur langsam ein wenig in Kontakt.
Da uns Asif gesagt hatte, dass wir Hunza-Frauen auf keinen Fall fotografieren sollten ohne zuvor zu fragen, waren wir sehr zurückhaltend. Umso mehr freuten wir uns, dass wir beim Aufstieg zum Baltit Fort auf eine ganze Gruppe von Frauen trafen, die sich hier auf einen Feierabend-Plausch getroffen hatten und uns sogar ein Foto erlaubten.
Gerade noch rechtzeitig erreichten wir das Baltit Fort, denn es erstrahlte im letzten Licht der tiefstehenden Sonne.
Über 900 Jahre war die Hunza-Region ein unabhängiges Fürstentum, das vom Mir von Hunza regiert wurde, der hier im Baltit Fort seinen Sitz hatte. Erst durch die britische Kolonialmacht verlor die Hunza-Region seine Unabhängigkeit und der damalige Mir Safdar Khan floh ins Exil nach Kashgar. Später gehörte die Region zum Gilgit-Baltistan-Distrikt und steht seitdem unter der Verwaltung der Zentralregierung in Islamabad.
Viel gehört und gelesen hatten wir schon über die Hunzakuts, angeblich die gesündesten und ältesten Menschen der Welt. Nicht selten sollten die Hunzakuts ein Alter von 100 Jahren erreichen und sind dabei weitgehend verschont geblieben von den bei uns üblichen Alterskrankheiten. Aber auch beeindruckende 120 Jahre und sogar 140 Jahre alte Menschen soll es hier schon gegeben haben. Heutzutage gibt es viele Seiten im Internet, die sich mit den Hunzakuts und den möglichen Ursachen für das hohe Alter beschäftigen, denn schließlich wurde schon immer nach einem wirksamen Anti-Age-Konzept gesucht.
Ein Grund, der dem hohen Alter der Hunzakuts zugeschrieben wird, konnten wir am nächsten Tag bei unserem Rundgang durch Karimabad und Umgebung sehen - Aprikosen. Die Erntezeit fing gerade an und auf vielen Hausdächern lagen bereits die ersten der köstlichen Früchte zum Trocknen.
Es geht zum Altit Fort. Das liegt etwa 2 km entfernt von Karimabad auf einem Felsvorsprung. Hier lebte der Mir von Hunza bevor er in das neuere Baltit Fort umzog. Schon auf dem Weg dorthin hatten wir eine tolle Sicht auf die Umgebung.
Ein steiler Weg führte hinauf nach Duiker. Wir entschlossen uns hinauf zu fahren, denn der Fußweg ging auch nur entlang des Fahrweges. So konnten wir ein wenig Zeit sparen und die grandiosen Ausblicke noch etwas länger genießen, die mit jedem Meter spektakulärer wurden.
Unglaublich war die Panoramasicht von Duiker. Allein fünf Eisriesen über 7000 m sieht man von hier oben, Rakaposhi (7788 m), Diran (7265 m), Ultar (7388 m), Golden Peak (7026 m) und Mulobiating (7458 m). Besser kann die Sicht in dem kleinen Restaurant dort oben beim Mittagessen kaum sein.
Hier oben wurde seinerzeit gerade ein Hotel gebaut. Was müßte es schön sein hier oben zu bleiben, Zeit zu haben, eine kleine Wanderung zu unternehmen, am Abend den Sonnenuntergang und am Morgen den Sonnenaufgang zu erleben. Das alleine wäre schon ein Grund noch einmal wiederzukommen und vor allem etwas mehr Zeit im Hunza-Tal und auch in den Seitentäler zu verbringen. Das mußte ich unbedingt auf meine "Liste vor der Kiste" setzen.
Über Karimabad fuhren wir sogleich weiter bis zum KKH, dem Karakorum Highway, wie er auch gerne abgekürzt genannt wird. Wir wollten heute noch Gilgit erreichen. Die 100 km sollten wir bis zum späten Nachmittag schaffen.
Der Karakorum Highway führt durch eine wilde Landschaft aus himmelhoch auftürmenden Felsenschluchten und gleich hinter der nächsten Biegung öffnet sich der Blick auf ein liebliches Tal mit grünen Terrassenfeldern.
Über eine waghalsig anmutende Brücke überquerten wir den Hunza-Fluss, der ab hier Gilgit-Fluss genannt wird und weiter südlich in den Indus mündet. Auf der anderen Seite erwartet uns die Provinz-Hauptstadt Gilgit.
Gilgit war seinerzeit eine recht streng muslimische Stadt. Frauen sahen wir keine auf den Straßen - ganz anders im Hunza-Tal, wo die Frauen eine ganz andere Stellung genießen. Entsprechend verwundert wurde ich als Frau auf der Straße gemustert und so war ich recht froh, dass ich in männlicher Begleitung war als wir im Bazar unterwegs waren.
Kunstvoll verzierte LKW's versetzen Besucher immer wieder in Staunen. Für die Einheimischen sind sie eine Selbstverständlichkeit und auf Pakistans Straßen allgegenwärtig. Diese rollenden Kunstwerke sind bemalt mit Mustern, Blumen, Tieren und Landschaften. Zusätzlich sind sie oft geschmückt mit Tausenden von Sternen, Herzen, Glöckchen und Spiegeln, die klirren, scheppern und läuten. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt - je prunkvoller - je besser. Der Ursprung dieser alten Tradition liegt wahrscheinlich in dem prunkvollen Schmuck, mit dem stolze Besitzer früher ihre Tiere präsentiert haben. Aber nicht nur LKW's werden so kunstvoll hergerichtet, sondern auch jede Art von Dienstleistungs-Fahrzeugen, aber inzwischen auch Traktorn und Fahrräder. Diese Art der Malerei hat sich zur Volkskunst entwickelt und ist so beliebt, dass viele Pakistani inzwischen sogar ihre Möbel, Türen oder ihre Autos verzieren lassen.
Viele Firmen investieren große Geldbeträge in diese aufwendige LKW-Kunst, die ihre Fahrzeuge zu Maskottchen mit großer Werbewirkung machen. Es handelt sich um eine uralte Tradition, die schon sehr viel älter ist als Pakistan selbst. Seinerzeit waren es meistens Familienunternehmen, die sich auf die Lastwagenmalerei spezialisiert hatten. Inzwischen gibt es allein in Islamabad Hunderte von großen Firmen, die diese Handwerkskunst betreiben. Da sich die prunkvolle Bemalung durch Witterungseinflüsse und vor allem auch durch den Staub der Straßen abnutzt muss die Farbe spätestens alle fünf Jahre erneuert werden, denn sonst sind die Fahrzeuge nicht mehr farbenprächtig sondern sehen eher schäbig aus...also eine kaum versiegende Einnahmequelle und Lebensgrundlage für viele!
Ein letzter sehr langer Fahrtag muss uns heute auf unserer letzten Etappe nach Islamabad bringen. Kurz vor Chilas kommen wir an einen geographisch höchst interessanten Punkt, denn hier treffen die drei gewaltigsten Gebirge unserer Erde aufeinander - der Himalaya im Osten, der Karakorum im Nordwesten und der Hindukusch im Südwesten. Von einem Aussichtspunkt bietet sich ein schöner Blick und eine Schautafel verdeutlicht den Verlauf der Gebirge und die Mündung des Gilgit Flusses in den Indus.
Auf einen weiteren wirklich spektakulärer Anblick waren wir heute gespannt. Kurz hinter Chilas, das gerade einmal auf etwas mehr als 1.200 m liegt, soll die Sicht auf den nur wenige Kilometer entfernten 8.125 m hoch aufragenden Nangar Parbat besonders spaktakulär sein. Aber auch heute war es etwas bewölkt, so dass uns dieser gewaltige Anblick leider verwehrt blieb. So werfen wir nur einen kurzen Blick auf die antiken Felszeichnungen der buddhistischen Ghandara-Zeit, um dann sogleich weiterzufahren.
Schließlich ließen wir die Berge hinter uns gelangten in das Tiefland und die Landschaft wurde dominiert von kleinen Bauerndörfern und enlosen Feldern.
Als wir in Islamabad ankamen wendeten wir uns in den alten Stadtteil Rawalpindi. Für Besichtigungen in der interessanten Stadt reichte die Zeit nicht mehr. Aber auf einem Rundgang konnten wir aber wenigstens noch das lebhafte Treiben rund um unser Hotel beobachten bevor es dunkel wurde. Morgen würden wir in aller Frühe zum Flughafen fahren und gen Heimat fliegen.
Pakistan hatte mich sehr begeistert und ich habe mich dort auch als Frau in einem islamischen Land sehr wohl und sicher gefühlt. Für mich war ganz klar, dass ich unbedingt noch einmal zu einem sehr viel intensiveren Besuch herkommen wollte.
Dazu ist es dann leider nicht mehr gekommen, denn durch die Terroranschläge am 9. September 2001 geriet ja bekanntlich die gesamte Region in Aufruhr. An eine Reise nach Pakistan habe ich in der Zeit und viele Jahren danach nicht mehr zu denken gewagt.
Nachdem sich allerdings mit den Jahren die Situation wieder beruhigt hat und erste Reiseveranstalter den Norden mit dem Karakorum Highway wieder in ihr Programm aufgenommen haben, plane ich im nächsten - spätestens aber im übernächsten Jahr nach Pakistan zu reisen und mindestens drei bis vier Wochen dort ganz intensiv unterwegs zu sein. Für 2020 wurden diese Pläne leider durch die Corona-Pandemie zunichte gemacht, so dass ich nun ganz fest auf 2021 hoffe.
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