In der entlegenen Region leben eine Vielzahl von Stammesvölkern mit ganz individuellen Traditionen, die sie sich bis heute weitgehend authentisch erhalten konnten. Von den 1,4 Mio. Menschen in Arunachal Pradesh gehören etwa 65% zu 104 verschiedenen indigenen Volksstämmen, den sog. Adivasi.
Von den 104 indigenen Volksgruppen gehören 26 zu den Hauptstämmen mit jeweils mehr als 5.000 Angehörigen. Zu den 26 Hauptstämmen gehören u.a. die Abor, Adi, Aka, Apathani, Galong, Khampti, Memba, Mishing, Monpa, Nocte, Niyishi, Tagin, Tangsa und die Wangcho. Die meisten dieser Volksstämme sind tibetischer oder thailändisch-burmesischer Abstammung. So sind z.B. die Monpas und Sherdukpen, die zu den bedeutenden Hauptstämmen gehören, eng mit den Tibetern verwandt und leben im äußersten Nordwesten an der Grenze zu Bhutan und Tibet. Sie sind Buddhisten.
Neben den Apatani gehören die Adi mit zu den wichtigsten Stämmen in Arunachal Pradesh. Sie werden auch Bokar Lhoba genannt und siedeln hauptsächlich in den gemäßigten und subtropischen Regionen der Distrikte Ost Siang, West Siang, im sog. "Lower" Dibang-Tal und in Lohit. Einige von ihnen leben auch heute noch auf der anderen Seite der indisch-tibetisch/chinesischen Grenze im südlichen Tibet.
Wörtlich übersetzt bedeutet Adi "Hügel" oder "Berg", denn die Adis werden auch als das "Volk der Berge" bezeichnet. Innerhalb des Hauptstammes der Adis gibt es insgesamt 14 Untergruppen wie z. B. die Galo, Minyong, Abor, Pangi, Karko, Schimong, Millang, Komkar, Padam, Bokar, Pasi und Bori. In den meisten Adi-Dörfern gibt es ein sog. Gemeindehaus, das "Dere" oder "Mosup" genannt wird. Hier werden alle kulturellen Belange des Dorfes diskutiert. Es gibt ein gewähltes Oberhaupt und einen sog. Ältesten-Rat. Bei Entscheidungen wird mehrheitlich abgestimmt. Auch eine Art Gerichtswesen gibt es bei den Adis.
Die meisten Adis betreiben Landwirtschaft. Reis ist wie in den meisten Regionen Indiens auch hier das Hauptnahrungsmittel. Außerdem werden Schweine und Hühner gehalten und Gemüse angebaut. Aber auch der Fischfang und die Jagd spielen bis heute eine sehr wichtige Rolle. Die bevorzugte Beute ist die Ratte, die auf ganz verschiedene Weise geschmackvoll zubereitet wrid. Ein typisches Adi-Gericht sind Fleischstücke in einem Reismehl-Kuchen, der in Bananenblätter gewickelt wird.
Wie die meisten Stammesvölker sind auch die Adis Animisten. Allerdings sind seit den 1950iger Jahren in Nordostindien einge christliche Kirchen ziemlich intensiv unterwegs gewesen. Dazu gehören die Babtisten und die katholische Kirche. Interessanterweise ist hier der christliche Glaube auf sehr viel fruchtbareren Boden gefallen. Über 30% der Bevölkerung sind inzwischen zum Chritentum übergetregen. Im Vergleich dazu liegt der Anteil im retlichen Indien gerade einmal bei knapp über 2%.
Trotz dem großen Anteil an Christen spielen die ursprünglichen animistischen Feste, bei denen es häufig auch Tieropfer gibt, um die Geister gnädig zu stimmen, immer noch eine extrem wichtige Rolle.
Die wichtigsten Feste der Adis sind das Mopin Fest (5. April in Along und Itanagar), das Etor Fest (15. Mai im East Siang District) und das Solung Fest (01.09. in Pasighat)
Zu den wichtigsten Ethnien in Arunachal Pradesh gehört der Volksstamm der Apatani. Ihm gehören ca. 60.000 Mitglieder an. Sie leben überwiegend im Distrikt Lower Subransiri im 32 km² großen Ziro-Tal, das zum sog. "Apatani-Plateau" gehört und von den Bergen des Himalaya umgeben ist. Es liegt auf einer Höhe von ca. 1.600 bis 2.400 m und 115 km nordöstlich von Itanagar, der Hauptstadt von Arunachal Pradesh.
Gemäß tibetischen Überlieferungen sollen die Stämme des nördlichen Arunachal Pradesh, einschließlich der Apatani, seit dem 15. Jahrhundert hier ansässig sein. Die Apatani selbst glauben gemäß ihren mündlichen Überlieferungen, dass sie vor mindestens zwanzig Generationen aus dem Norden, also aus Tibet, hier eingewandert sind.
Die älteren Apatani kann man teilweise unter den vielen Stammesvölkern in Arunachal Pradesh sehr gut an einigen sehr authentischen Merkmalen erkennen. Ältere Damen tragen ein sehr außergewöhlich großes Nasen-Piercing - entweder in einem Nasenflügel - die meisten aber in beiden. Es handelt sich dabei um schwarze Holzplättchen, die von den Einheimischen "Dats" genannt werden. Außerdem sind viele Apatani-Frauen im Gesicht tätowiert.
Es gibt Stimmen die sagen, dass die Apatani-Frauen schon von jeher besonders schön gewesen seien. Deshalb wurden sie in früheren Zeiten immer wieder von rivalisierenden Stammesgruppen entführt. Das sollte natürlich verhindert werden und so beschlossen seinerzeit die Stammesältesten, dass die Mädchen spätestens mit Einsetzen ihrer Periode im Gesicht tätowiert und ihnen schwarze Bambusplättchen in ihre Nasenflügel eingesetzt werden sollten.
Das sollte sie für die Begehrlichkeiten stammesfremder Männer unattraktiver machen. Bis in die 1970iger-Jahre wurde dieser Brauch praktiziert bis er von der indischen Regierung verboten wurde. Eine ähnliche Begründung hörte ich auf meiner Reise nach West-Myanmar zum Volk der Chin. In der Region rund um Mrauk U (5. Tag) und Kampalat nahe dem Mt. Victoria (9. Tag) hatte ich sehr berührende Begegnungen mit den gesichtstätowierten Damen des Chin-Volkes. Aber auch in den indischen Stammesgebieten in Odisha traf ich auf gesichtstätowierte Stammesfrauen vom Volk der Kutia Kondhs.
Bei unserer Reise nach Arunachal Pradesh im Februar 2023 hat unser Guide Michi, der selbst Apatani ist, dies jedoch mit Nachdruck verneint. Nach seinem Wissen galten in früheren Zeiten Mädchen ohne die schwarzen Nasen-Piercings und ohne Gesichtstätowierungen als hässlich. Deshalb wollte jedes Mädchen ab einem bestimmten Alter das gerne so haben.
Viele Apatani-Männer tragen je nach Fülle ihrer verbliebenen Haartracht übrigens gerne einen mehr oder weniger großen Dutt. Dieser wird meistens mit einem Metallstab vorne über der Stirn festgesteckt.
Die Mitglieder des Apatani-Stammes sind in Clans organisiert. Jeder Clan lebt in einem bestimmten festgelegten Bereich des Dorfes und hat eine eigene große geweihte Plattform. Hier finden Versammlungen und Zeremonien statt. Der Zusammenhalt der Clans ist sehr stark. So gehören z.B. Weiden, Fisch- und Jagdgebiete dem ganzen Clan. Nur Felder, Häuser und Vieh sind im Besitz einzelner Clan-Mitglieder.
Ein Großteil der Apatani lebt von der Landwirtschaft. Im Ziro-Tal wird großflächig Nass-Reis angebaut. Ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem und geschickt angelegte Terassenfelder machen das auch in der Höhe von über 1.500 m möglich. Wenn der Reis auf den Feldern im Wasser wächst wird gleichzeitig in demselben Wasser Fischzucht betrieben - eine sehr effektive und umweltschonende Nutzung der Recourcen. Überhaupt steht die Natur in der Apatani Kultur und in den Traditionen im Mittelpunkt. Deshalb wurde inzwischen die Apatani-Kulturlndschaft auf die Kandidatenliste für einen UNESCO-Weltkulturerbe-Status gesetzt.
Traditionell sind die Apatani wie die meisten der Stammesvölker in Nordostindien Animisten und folgen der Donyi-Polo-Religion, die Sonne und Mond verehren bzw. Naturgeister anbeten. Das Symbol dieser Religion ist ein roter Kreis auf weißem Grund. Priester spielen innerhalb der Dorfgemeinschaften eine ganz besondere Rolle und werden bei vielen auch alltäglichen Problemen gerufen und um Rat gefragt.
Die wichtigsten Feste der Apatani sind das Myoko Fest (20.-23. März in Ziro) und das Dree Fest (4.-5. Juli in Itanagar und Ziro).
Zum Mishmi-Volksstamm in Nordostindien gehören drei Untergruppen, die Digaru-Mishmis, Miju-Mishmis und Idu-Mishmis. Sie leben hauptsächlich in den Distrikten von Upper und Lower Dibang, die im Norden an Tibet grenzen, und Lohit, das im Norden an Tibet und im Westen an China und Myanmar grenzt. Mit ziemlicher Sicherheit sind die Mishmis vor Jahrhunderten von Tibet nach Nordostindien eingewandert und haben sich in dieser fruchtbaren Region niedergelassen. Ganz genau kann man das heute nicht mehr nachvollziehen, denn es gab seinerzeit keine Schrift und damit leider auch keinerlei historische Aufzeichnungen, die darüber Aufschluss geben könnten. Ihre Stammessprache gehört eindeutig zu eine der 330 tibetobirmanischen Sprachgruppen, die in Südchina, dem Himalaya-Gebiet und Südostasien von gesprochen wird..
Ursprünglich gehörten die heute ca. 30.000 Stammesangehörigen alle zu einem großen Stamm. Erst durch die Verteilung in verschiedene Regionen in Nordostindien, die teilweise nur schwer zugänglich waren, entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte kulturelle Unterschiede, wie z.B. unterschiedliche Stammestrachten und abweichende Sitten und Gebräuche. Auf meiner Reise habe ich hauptsächlich die Idu-Mishmis, einen der beiden Hauptstämme der Mishmis, in der Region rund um Roing, der Distrikthauptstadt von Lower Dibang, kennengelernt.
Ein typisches Merkmal des Mishmi-Stammes war lange Zeit die außergewöhnliche Haartracht, die man heute fast nur noch bei älteren Stammesangehörigen findet. Der Legende nach forderte Lord Krishna von den Mishmis sich die Haare abzuschneiden. Das sollte die Strafe sein, da sie ihm nicht erlauben wollten die Göttin Rukmini zur Frau zu nehmen, von der die Mishmis glauben, dass sie zu ihrem Stamm gehört.
Die Mishmis bestreiten ihr Auskommen hauptsächlich mit der Landwirtschaft. Reis ist dabei eines der wichtigsten Produkte und zwar sowohl aus dem Terassenanbau als auch den Anbau von Nassreis. Zudem gibt es Mais, Hirse, Südkartoffeln und viele Sorten Gemüse. Die Jagd spielt heutzutage für den Lebensunterhalt keine große Rolle mehr. Sie hat eher eine soziale, rituelle und spirituelle Bedeutung zur Festigung des Bandes mit der Natur und wird deshalb oft noch ganz traditionell mit Pfeil und Bogen ausgeübt.
Mit über 300.000 Angehörigen sind die Nyishis die größte Stammesgemeinschaft in Nordostindien. Dementsprechend finden wir die Nyishis in sehr vielen Regionen in Arunachal Pradesh wie z.B. in Kurung Kumey, East Kameng, West Kameng, Papum Pare und auch in Teilen von Lower Subansiri, Kamle und Pakke Kessang.
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